Die Karwoche mit Blick auf Ostern

In diesem Jahr ganz anders

Das wichtigste Fest der Christen kann in diesem Jahr nicht wie gewohnt gefeiert werden. Vor dem Osterfest wird zunächst die Karwoche begangen. Was steht in dieser Woche an – und wie geht man in Zeiten des Coronavirus damit um?

Symbole der Karwoche: Palmzweige, Ölgefäße, Taufschale / © Corinne Simon (KNA)
Symbole der Karwoche: Palmzweige, Ölgefäße, Taufschale / © Corinne Simon ( KNA )

DOMRADIO.DE: Die Karwoche startete mit dem Palmsonntag. Welche Bedeutung hat der Tag zu Beginn der Karwoche?

Jan Hendrik Stens (Theologie-Redaktion): Der Palmsonntag ist das Tor zur Karwoche oder zur Heiligen Woche. Das ist die wichtigste Woche im ganzen Kirchenjahr, in der es um die Passion, das Leiden Jesu Christi, die Einsetzung der Eucharistie, sein Tod am Kreuz und schließlich auch um die Auferstehung geht. Kurzum: Alles, was die Grundlagen unserer christlichen Religion ausmacht, das wird in diesen Tagen gefeiert und begangen.

Passend zu diesem Bild vom Tor zur Heiligen Woche zieht Jesus am Palmsonntag in Jerusalem ein, er reitet aber nicht auf einem prächtigen Pferd, sondern auf einem Esel. Gott zieht also in unserem Leben als der ganz andere ein, also ganz anders, als wir das von einem Gott erwarten.

DOMRADIO.DE: Wie geht diese Heilige Woche weiter?

Stens: Die liturgischen Texte der nächsten Tage nehmen die Ereignisse im Vorfeld der Passion auf. Also Jesus kündet sein Leiden an und Judas wird zum Verräter. Am Gründonnerstag beginnt dann der Höhepunkt, also das österliche Triduum – die drei Kerntage von Ostern, Gründonnerstag mit dem letzten Abendmahl und der Einsetzung der Eucharistie mit den Worten "Tut dies zu meinem Gedächtnis". Dann folgt der Karfreitag mit dem Prozess, der Verurteilung Jesu am Kreuz und der Hinrichtung und dem Begräbnis.

Der Karsamstag ist dann der Tag der Grabesruhe, an dem – außer der Stundenliturgie – gar kein Gottesdienst gefeiert wird. Die Osternacht dann in der Nacht zum Ostersonntag: Sie mündet schließlich als nächtliche Wache in die Auferstehung Jesu. Wir feiern also den Sieg des Lebens über den Tod.

DOMRADIO.DE: Also eine wichtige Zeit für uns Christen. Was für Brauchtümer gibt es denn während der Karwoche eigentlich?

Stens: Da gibt es jede Menge, vor allem in den ländlichen Regionen. Da gibt es an den Tagen das Karfreitagratschen. Dann ziehen üblicherweise Jugendliche mit Holzklappern und Holzratschen durch die Straßen. Diese Holzklappern werden ab Gründonnerstag auch in der Liturgie benutzt, weil Orgel, Glocken und auch die Altarschellen schweigen. Das geht auf ganz frühchristliche Zeiten zurück, als es noch gar keine Orgeln in den Kirchen gab und auch noch nicht mit Glocken zum Gottesdienst gerufen wurde, sondern mit Holzbrettern, auf die geschlagen wurde.

An Ostern gibt es als Brauchtum den Osterspaziergang, der an den Gang der Jünger nach Emmaus angelehnt ist. Aber auch zahlreiche Essensgerichte gibt es speziell an den Kar- und Ostertagen. Zum Beispiel am Karfreitag backt man vor allem im Münsterland Struwen. Das sind kleine Puffer aus Hefeteig mit Rosinen. Die werden in Öl gebraten. Zu Ostern backt man häufig ein Lamm aus süßem Teig. Es gibt überhaupt an Ostern etwas sehr Leckeres zu essen, auf das man in der Fastenzeit verzichtet hat.

DOMRADIO.DE: Ostern selbst gehört aber nicht mehr zur Karwoche, oder?

Stens: Ostern ist das Ziel der Karwoche. Also ohne die Karwoche gibt es gar kein Ostern. Der Kölner Weihbischof Ansgar Puff sagte einmal in einem DOMRADIO.DE-Interview, dass Ostern ohne Karfreitag, also die Auferstehung ohne das Kreuz wie Limonade sei – also belanglos.

DOMRADIO.DE: Jetzt ist es in diesem Jahr eine Situation, die wir so in der Karwoche und an Ostern wohl noch nie hatten. Gottesdienste ohne Besucher, das beeinflusst natürlich. Wie wird das in diesem Jahr gelöst?

Stens: Ostern werden wir dieses Jahr ganz anders feiern, als wir das sonst gewohnt sind. Für die Mitfeiern der zentralen Gottesdienste bieten sich hier die Übertragungen im Fernsehen und im Internet an. So auch hier bei uns von DOMRADIO.DE aus dem Kölner Dom.

Es ist aber wichtig, dass in den Haushalten darüber hinaus auch die Kar- und Ostertage mit eigenen ergänzenden Feiern begangen werden. Die Stundenliturgie kann man in diesen Tagen besonders intensiv feiern. Das urchristliche Prinzip der Hauskirche kann so zum Beispiel zu einer neuen Blüte gelangen.

DOMRADIO.DE: Leid, Tod und Auferstehung – das sind ja die zentralen Themen der Karwoche. Inwiefern hat das in der aktuellen Krisenzeit eine noch größere Bedeutung?

Stens: Die Erfurter Dogmatikern Julia Knop hat vor ein paar Tagen in einem Beitrag geschrieben, dass aufgrund der Corona-Krise Ostern in diesem Jahr einen ganz anderen Charakter bekäme. Angesichts vieler Opfer würde das Leid und die Passion Jesu Christi viel stärker im Vordergrund stehen.

Vielleicht ist das ein Ansporn für uns, in diesem Jahr ganz besonders mal auf den Karfreitag und die Stille des Karsamstags zu schauen. Dass am Ende nicht der Tod, sondern das Leben das letzte Wort hat, das ist ja ein Hauptbestandteil unseres Glaubens und lässt uns auch zuversichtlich sein.

Das Interview führte Julia Reck.


Quelle:
DR