domradio.de: Die meisten Flüchtlinge kamen im Spätsommer und Herbst 2015 - wie beurteilen Sie die Unterbringung und Integration dieser Menschen im Erzbistum Köln bisher?
Klaus Hagedorn (Koordinator der Flüchtlingshilfe im Erzbistum Köln): Für die Unterbringung sind ja zumeist Land und Kommune zuständig, wir als Erzbistum Köln engagieren uns sehr stark darum, zusätzlich gemeindliche Wohnungen im Besitz des Erzbistums für die Flüchtlingsunterbringung zur Verfügung zu stellen. Ich glaube, dass wir da einen guten Beitrag zu leisten können, dass die Unterbringung auch in diesem Maße ganz gut funktioniert.
domradio.de: Es gibt viele Aktionen im Erzbistum - von der Caritas, Pfarreien und Einzelinitiativen. Sie bieten eine Hotline und diverse Hilfestellungen für Ehrenamtliche an - wird diese Hilfe auch in Anspruch genommen?
Hagedorn: Ja, eindeutig. Wir haben den Flüchtlingsfonds seit Ende 2014, wo wir die Möglichkeit haben Verbände und Gemeinden finanziell zu unterstützen, um Aktionen zugunsten der Integration von Flüchtlingen zu gestalten. Wir erleben im Moment, dass eine Unzahl von Anträgen kommt, denen wir kaum noch Herr werden können. Die unterschiedlichsten Ideen werden entwickelt und wir fördern diese Ideen ganz kurzfristig, so dass sie auch in tatsächliches Handeln umgesetzt werden können. Beispielsweise gibt es die Idee hier in Köln für ein großes Kunstprojekt bekannte Künstler und Flüchtlinge, die selber als Künstler in ihrer Heimat aktiv waren, diese Menschen in einem gemeinsamen Projekt zusammenzubringen. Es gibt darüber hinaus die Idee für ein großes Kunstprojekt in Bonn-Tannenbusch. Daneben gibt es beispielsweise eine ganz rührige Gruppe in einer katholisch-öffentlichen Bücherei, die eine Online-Ausleihe organisieren möchte, um Schulen, Kindergärten und andere Einrichtungen in die Lage zu versetzen, ganz schnell und unproblematisch Integrationsangebote für Flüchtlingskinder in deren Einrichtung gestalten zu können. Es gibt eine ganze Vielzahl von Ideen, die wir alle sehr unproblematisch unterstützen können. Ich erlebe, dass dieses Engagement ungebrochen ist - im Gegenteil, dass wir ein verstärktes Engagement erleben.
domradio.de: Bräuchten Sie mehr Unterstützung um diese Initiativen fördern zu können?
Hagedorn: Wir haben ja totalen Rückenwind!
domradio.de: Durch den Erzbischof?
Hagedorn: Durch den Erzbischof beispielsweise, durch Weihbischof Ansgar Puff und auch durch Caritasdirektor Dr. Hensel hier im Erzbistum Köln. Sie alle stehen gemeinsam dafür ein, dass wir klar Position beziehen zugunsten einer gelingenden Integration von Flüchtlingen. Ich glaube dieser Rückenwind ist auch für die vielen Ehrenamtlichen spürbar. Wir rechnen mit ca. 20.000 Ehrenamtlichen im Erzbistum Köln, die sich in der Flüchtlingshilfe engagieren, im gemeindlichen oder auch übergemeindlichen Kontext. Sie bekommen Rückenwind insbesondere durch unseren Kardinal, wenn er eindeutig Position bezieht gegen Rassismus und für die nachbarschaftliche Aufnahme von Flüchtlingen.
domradio.de: Zum Weltflüchtlingstag gab es dazu ein ganz besonderes Mittagsgebet im Dom mit Weihbischof Ansgar Puff. Braucht es so eine Veranschaulichung der Schicksale der Flüchtlinge, damit wir im reichen Westen verstehen lernen?
Hagedorn: Ja, ich war selber da. Ich habe mir das Boot angeguckt. Ich habe es vorher nur draußen am Dom gesehen. Ich fand das sehr beeindruckend. Die Leute haben wirklich mit einer gewissen Betroffenheit um das Boot herum gestanden. Wenn man sich die Zahl ausmalt, dass dort 80-100 Flüchtlinge draufgesessen haben in einer tagelangen Reise über ein Mittelmeer, dann kann man sich das eigentlich nicht vorstellen. Es wird vorstellbar durch den Anblick dieses Bootes.
domradio.de: Nun wollen wir nicht so tun als gebe es keinen Rassismus oder auch Angst vor Flüchtlingen. Gibt es Beschwerden in Ihrem Bereich?
Hagedorn: Ja, die gibt es immer wieder. Wir haben ja auch die Flüchtlingshotline und die wird auch ab und zu genutzt von Menschen, die sich beschweren über das in ihrer Meinung nach falsch geleitete Engagement und die falsche Positionierung, die die katholische Kirche im Erzbistum Köln vorgenommen hat. Es gibt darüber hinaus schon mal nachbarschaftliche Beschwerden rund um Flüchtlingsunterkünfte. Gut, man muss sich auch vorstellen, dass diese Menschen vielleicht einen anderen Lebensrhythmus gewohnt sind und auch andere Zeiten nutzen, um beispielsweise ihre Freizeit zu gestalten. Da gucken wir aber sehr schnell, dass wir Kontakt aufnehmen mit diesen Nachbarn, die sich gestört fühlen und wir dann zu einer einvernehmlichen Lösung und Gesprächen kommen.
Das Interview führte Tommy Millhome.