Diskussion um Aufnahme afghanischer Helfer in Deutschland

Rettung aus der Gefahrenzone

Viele Afghanen in deutschen Diensten blicken bang in die Zukunft. Politiker fordern Einreisevisa für bedrohte Mitarbeiter. Bisher zögert die Bundesregierung. Die ersten Anträge sollen aber in Kürze entschieden werden.

Autor/in:
Tanja Tricarico
Afghanistan: Deutsches Mandat läuft aus (dpa)
Afghanistan: Deutsches Mandat läuft aus / ( dpa )

Täglich fliegt die Bundeswehr Container, Geräte, Transporter aus Afghanistan aus und verschifft sie über die Türkei zurück nach Deutschland. Der Abzug der Deutschen läuft auf Hochtouren. Bereits im Sommer soll das Truppencamp in Kundus fast komplett geräumt sein. Zurück bleiben die, die in den vergangenen Jahren für die Bundeswehr gearbeitet haben. Rund 1.500 Afghanen sind für die Soldaten im Einsatz. Sie übersetzen bei Treffen mit Einheimischen, halten Wache, putzen im Camp oder helfen in der Küche.

Der Job bei der Bundeswehr war risikoreich, verantwortungsvoll und gut bezahlt. Und er hat den sogenannten Ortskräften Feinde beschert. Die radikal-islamischen Taliban haben bereits angekündigt, Jagd auf Kollaborateure zu machen. Viele Afghanen fürchten um ihr Leben und hoffen auf die Hilfe der Deutschen.

Dem Bundesinnenministerium liegen bereits 27 Anträge von afghanischen Ortskräften vor, die nach Deutschland ausreisen wollen. Man sei sich der Verantwortung bewusst und wolle sich großzügig zeigen, heißt es aus dem Ministerium. Bereits im Mai soll eine Entscheidung fallen.

Hochqualifiziert und motiviert

"Die Lage ist brenzlig", sagt die sicherheitspolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, Elke Hoff. "Diese Menschen haben sich aufgrund ihrer Tätigkeit für die Bundesregierung in eine Gefahrenlage gebracht. Wir müssen uns um die Menschen kümmern." Die liberale Politikerin plädiert für ein schnelles Aufnahmeprogramm für die, die ausreisen müssen. "Die regulären Asylverfahren dauern zu lange", sagt Hoff. "Es darf nicht sein, dass die Menschen in eine Art Bittstellerposition geraten und der deutschen Bürokratie ausgeliefert sind."

Unterstützung bekommt Hoff vom Vorsitzenden des Menschenrechtsausschusses des Bundestags, Tom Koenigs (Grüne). "Uns verbindet ein persönliches, politisches und berufliches Verhältnis zu den afghanischen Ortskräften", sagt Koenigs, der 2006 und 2007 Leiter der UN-Mission in Afghanistan war. Er schlägt eine Art Greencard-Modell für eine bestimmte Anzahl an Mitarbeitern vor. "Diese Menschen sind hochqualifiziert und sprechen Deutsch", sagt er. Deutschland könne also sogar von ihnen profitieren.

Das Bundesinnenministerium versichert, die Afghanen in deutschen Diensten würden vor Ort beraten, welche Möglichkeiten es für sie gebe. Zudem hat das Ministerium einen Kriterienkatalog erstellt, der helfen soll, die Situation und "die Gefährdungslage" der Afghanen besser einzuschätzen. Hoff und Koenigs befürchten, dass ein solcher Katalog schnell "ein bürokratisches Ungetüm" werden kann.

Visum steht erst an letzter Stelle

"Ohne ein bestimmtes Maß an Bürokratie wird es nicht gehen", sagt der verteidigungspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Ernst-Reinhard Beck. Für Beck hängt die Einschätzung der jeweiligen Risiken von vielen Faktoren ab. Wer hat in welcher Funktion und in welcher Region für die Bundeswehr gearbeitet? Wessen Position war auch für "Feinde" sichtbar? Hinzu kommt die "politische Großwetterlage in Afghanistan", die eine Rolle spielen soll. "Eine Rasenmäherlösung für alle, die mit der Bundeswehr oder den Alliierten zusammengearbeitet haben, wird es nicht geben", sagt Beck.

Auch nach 2014 werden 600 bis 800 deutsche Soldaten in Afghanistan bleiben. Ein Teil der Ortskräfte wird weiter von der Bundeswehr beschäftigt. Die, die ihren Job verlieren, werden entschädigt. Im Notfall kann die Bundeswehr den Mitarbeitern bei einem Umzug in eine andere Region helfen. Erst an letzter Stelle steht ein Visum für Deutschland.


Quelle:
epd