Der Regensburger Katholikentag will gemäß seinem Motto "Mit Christus Brücken bauen" - in die Gesellschaft hinein und über innerkirchliche Gräben hinweg. Mit der für Freitag angesetzten Podiumsdiskussion um die Schwangerschaftskonfliktberatung setzen sich Gastgeber und Veranstalter einer Bewährungsprobe aus. Denn bei kaum einem anderen Thema ringen Katholiken in Deutschland schon so lange und heftig miteinander.
Dabei haben sich Gesellschaft und Politik längst weitgehend mit dem Ist-Zustand arrangiert. Niemand will dort heute ernsthaft an dem mühsam errungenen Kompromiss rütteln, der nach mehrfachen Interventionen des Bundesverfassungsgerichts vor rund 20 Jahren zur derzeitigen Rechtslage führte. Danach ist eine Abtreibung immer noch rechtswidrig. Aber die Beteiligten gehen straffrei aus, wenn sie bis zur zwölften Schwangerschaftswoche vorgenommen wird und sich die Frau zuvor bei einer staatlich anerkannten Stelle nachweislich hat beraten lassen.
Was die einen als Erfolg der Frauenbewegung im Kampf um sexuelle Selbstbestimmung feiern, ist anderen ein Unrecht. Vor allem unter Katholiken gilt der Konsens, dass menschliches Leben vom Zeitpunkt der Empfängnis an unbedingt zu schützen ist, weil auch das Ungeborene ein Lebensrecht hat. Wie diesem Recht im möglichen Konflikt mit den Interessen der Schwangeren am besten Geltung verschafft werden kann, darüber gehen die Meinungen allerdings auseinander.
Katholische Laien gründeten "Donum Vitae"
In langen Diskussionen setzte Papst Johannes Paul II. mit seinem Kardinalpräfekten Joseph Ratzinger Ende der 1990er Jahre den Ausstieg der katholischen Kirche in Deutschland aus dem System der staatlichen Pflichtberatung durch. Ihre Kritik galt vor allem dem Beratungsnachweis, den sie als Mitwirkung an einer Abtreibung werteten. Damit werde das klare Zeugnis der Kirche für den Lebensschutz verdunkelt. Nicht wenige deutsche Bischöfe schlossen sich damals nur unter Bedenken dieser Position an.
Katholische Laien, die diesen Weg für falsch hielten, gründeten daraufhin eine eigene Beratungsorganisation und gaben ihr den Namen "Donum Vitae" (Geschenk des Lebens). Pikant: Mit genau diesen Worten hatte Ratzinger 1987 eine Instruktion über Lebensschutz und Biomedizin eingeleitet. Bis heute gilt in römischen Kreisen dieser Schritt als die "Erbsünde des deutschen Katholizismus". Führende Unionspolitiker und andere prominente deutsche Katholiken machten dagegen Gewissensgründe geltend.
Die Aktiven bei "Donum Vitae" und ihre Unterstützer sind bis heute überzeugt, dass Katholiken in diesem Beratungssystem Abtreibungen verhindern können, wenn auch nicht immer. Manche Hochrechnungen wurden angestellt, genaue Zahlen fehlen jedoch. Auf der anderen Seite gilt es als gesichert, dass in den weiter bestehenden kirchlichen Beratungsstellen kaum noch Frauen in einem echten Schwangerschaftskonflikt erreicht werden - wo die Ratsuchenden also ernsthaft einen Abbruch als Ausweg aus ihrer Notlage in Erwägung ziehen und nicht nur Hilfe für sich und ihr Kind suchen, die sie dort auch umfassend bekommen.
Gelingt in Regensburg ein Brückenschlag?
Der Streit hat viele Wunden geschlagen - auf beiden Seiten. Der frühere bayerische Kultusminister und Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Hans Maier, überwarf sich deshalb mit Joseph Ratzinger. Seit 1999 soll der Kontakt der einstigen Freunde abgerissen sein.
Nach der Jahrtausendwende gab es mehrere Versuche aus Rom, die deutschen Bischöfe zu einer noch stärkeren Abgrenzung von "Donum Vitae" zu drängen, die als "Vereinigung außerhalb der katholischen Kirche" betrachtet wird und bei der Katholiken nicht mitmachen dürften. Trotz dieser Bemühungen feiert der Verein in diesem Jahr sein 20-jähriges Bestehen. Vor diesem Hintergrund wird es spannend sein, ob in Regensburg ein Brückenschlag gelingt.