Diskussion um "Kinderhandel" vor dem Rückrundenstart der Bundesliga

Grenzwertiges Geschäft

Mit dem Wiederanpfiff im Profifußball endet auch bald die Transferperiode. In diesem Winter sorgte vor allem die Verpflichtung von 13-Jährigen für Aufsehen. Sportpfarrer Hans-Gerd Schütt beobachtet die Entwicklung skeptisch. Im domradio.de-Interview ruft er die Vereine auf, das Wohl der Nachwuchskicker im Blick zu behalten.

 (DR)

domradio.de: Bundesligisten verpflichten 13-Jährige - eine Grenzüberschreitung?

Schütt: Es ist grenzwertig. Einerseits ist es natürlich so, dass ein Internat, die damit verbundene schulische Ausbildung und auch natürlich im Falle der jungen Spieler die Hoffnung, einmal Profifußballer zu werden, zunächst einmal nichts Verwerfliches ist. Aber es stellen sich weitere Fragen: Sind die manchmal nicht zu jung? Wie ist es um die Nähe zur gewohnten Umgebung bestellt? Da haben es natürlich Vereine, die in einer Großstadt angesiedelt sind, wesentlich einfacher als ein Verein, der kein großes Einzugsgebiet hat. Es stellen sich schon Fragen.



domradio.de: Denn praktisch bedeutet das ja auch: Ein 13-Jähriger verlässt das Elternhaus, wechselt die Stadt, wird aus Familien- und Freundeskreis herausgerissen...

Schütt: Das haben Sie natürlich bei einem anderen Internat auch. Es gibt junge Menschen, die das gut wegstecken, weil sie innerlich auch schon gefestigt sind. Es kann aber auch sein, dass es nicht so ist, das stellt sich dann aber erst nach einer gewissen Zeit heraus. Man muss aber auch sehen, dass sich das System der Nachwuchsförderung in Deutschland auch bewährt hat, dass einzelne Vereine dazu auch verpflichtet sind. Noch einmal: Es gibt ein einerseits und ein andererseits.



domradio.de: Auch die Vereine argumentieren mit der Nachwuchsförderung und verweisen zum Beispiel auf den Argentinier Messi, den derzeit besten Spieler der Welt, der auch schon mit 13 Jahren nach Barcelona gewechselt ist...

Schütt: In seinem Fall hat es natürlich gut hingehauen, der Erfolg gibt allen Beteiligten Recht. Aber ob hier nicht auch zu sehr das Business sehr früh über den Lebensweg entscheidet? Auf diese Frage gibt es keine leichte Antwort. Aus dem Bauch heraus würde ich sagen: Es ist zu früh. Was auf jeden Fall zu fordern ist: Die Vereine müssen alles Erdenkliche tun, damit sich die jungen Leute wohl fühlen, eine gute Schulbildung erhalten, dass ihnen der Erfolg nicht zu früh in den Kopf steigt. Alles Dinge, die sicher auch im Interesse der Vereine liegen.



domradio.de: Im Fußball geht es um viel Geld. Aber geht es nicht zu weit, wenn sogar für 13-Jährige schon Geld bezahlt wird?

Schütt: Das ist das Fußballgeschäft. Es hat mal eine Selbstverpflichtung der Vereine gegeben, nämlich die, dass man einander nicht die Talente abwirbt. Mit einem solchen Abkommen kann manches kanalisiert und manche Entwicklung gestoppt werden. Wenn man sich aber nicht mehr daran hält, kommt das Argument: Wenn ich es nicht mache, macht es ein anderer. Deshalb müsste die Selbstverpflichtung noch mal überdacht werden, bzw. es müssten andere Regulative entworfen werden.



domradio.de: Überhaupt bekommt man den Eindruck, das Geld und der "Handel" mit den Spielern werden immer wichtiger. Wolfsburg hat in der Zeit von Trainer Felix Magath schon 80 Spieler gekauft und 77 wieder verkauft. Verkommt da der Spieler nicht doch zur Ware, die erst für viel Geld eingekauft wird und dann bei möglicherweise ausbleibender Topleistung einfach abgeschoben wird?  

Schütt: Es ist natürlich schon so: Der Spieler stellt einen gewissen Wert da. Das hängt mit seiner Leistung zusammen, mit seinem Talent, mit seinen Möglichkeiten. Und das ist nicht nur im Fußball, sondern auch in anderen Sportarten so: der Marktwert eines Sportlers. Und das hat natürlich zur Folge, dass man im Grunde nur noch den Marktwert sieht - und der Mensch dabei zu kurz kommt.



Das Gespräch führte Heike Sicconi.