Was 2018 als Idee begann, eine Lösung für die systemischen Ursachen des Missbrauchsskandals in der deutschen Kirche zu finden, schlägt inzwischen große Wellen weit über Deutschland und den Vatikan hinaus. Der Synodale Weg schürt große Hoffnungen bei reformwilligen Katholiken, aber mindestens genauso große Ängste bei den Kritikern des Projektes. Will Deutschland einen Sonderweg? Die Spaltung der katholischen Kirche? Oder geht der deutsche Reformdialog den einzig gangbaren Weg in die Zukunft des Katholizismus?
Die Meinungen darüber sind so unterschiedlich wie auch die Lebenswelten der katholischen Weltkirche. Das Hilfswerk missio Aachen hat deshalb gemeinsam mit DOMRADIO.DE zur konstruktiven Diskussion aufgerufen, um einen Austausch über Schlagworte und Nachrichtenartikel hinaus zu ermöglichen: "Der Synodale Weg im Spiegel der Weltkirche". Der Synodale Weg wird als Reformprojekt gemeinsam von der Deutschen Bischofskonferenz und dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) gestaltet.
"Wir wollen Stimmen zu Wort bringen, die sonst nicht gehört werden“, stellt Dirk Bingener von missio fest. Es brauche einen wahren Austausch, gerade da im Moment mit dem Projekt der Weltsynode ein ähnlicher Prozess auf internationaler Ebene läuft, der genauso wie Deutschland versucht, neue Ideen für die Kirche zu finden. "Die Fragen, die wir uns im Synodalen Weg stellen, betreffen die ganze Weltkirche. Sie werden nur an anderen Orten mitunter stärker tabuisiert", so Bingener.
Kritik ist kein Geheimnis
Dass es Kritik am deutschen Reformprojekt gebe, müsse ernst genommen werden, sagt der missio-Chef, auch wenn die lautstarken Kritiker seiner Meinung nach im weltkirchlichen Kontext in der Minderheit sind. Aber selbst aus dem Vatikan wird der Synodale Weg kritisch beobachtet, was nicht zuletzt der Ad limina-Besuch der deutschen Bischöfe gezeigt hat.
Der Aachener Bischof Helmut Dieser hat daran teilgenommen und sprach darüber ebenso bei der Online-Diskussion von missio Aachen und DOMRADIO.DE. Dieser stellt fest: Bei der vatikanischen Kritik gebe es keine klare Front, sondern einen Richtungsstreit auch innerhalb der Kurie. "Die deutschen Bischöfe haben starken Widerstand erlebt in einem Teil der Kurie, aber nur einem Teil." Für Dieser ist der beste Weg die Reform anzugehen das deutsche Projekt nicht als isoliert zu betrachten, sondern als eine "eigene Spur" auf dem gemeinsamen Weg der Weltkirche.
Knackpunkt Frauenweihe
Einer der großen Streitpunkte zwischen Deutschland und Stimmen aus der Weltkirche betrifft das Thema Frauenweihe. Eine Mehrheit der deutschen Bischöfe, wie auch des ZdK, hat sich bei der vierten Synodalversammlung für eine offene Diskussion über dieses Thema ausgesprochen.
Das begrüßt der Aachener Diözesanbischof, der gemeinsam mit ZdK-Mitglied Birgit Mock das Synodalforum zum Thema Sexualmoral leitet. Johannes Paul II. habe zwar das "Nein" für die Frauenweihe endgültig ausgesprochen, man sehe aber, dass das Ringen und die Ungewissheit seitdem nur gewachsen sind, deshalb müsse sich die Kirche dieser Frage heute offen stellen. "Das muss die höchste Autorität der Kirche angehen. Wir können nicht nur Männer über den Weg der Kirche entscheiden lassen."
Deutlich macht der Priester und Theologe Stan Chu Ilo aus Nigeria hier aber genau die Unterschiede: "Wenn ich in Nigeria Frauen frage, ob sie die Weihe wollen, finde ich überhaupt keine Frauen, die ein theologisches Studium gemacht haben. Das ist im Moment einfach nicht relevant. Wir müssen einen Schritt zurück gehen, und den Frauen erst mal die Bildung zukommen lassen."
Zu weit weg vom wahren Leben?
Ein Kritikpunkt des nigerianischen Theologieprofessors ist allerdings, dass der deutsche Prozess zu weit weg vom wahren Leben der Gemeinden vor Ort ist. "Die Kirche führt viele Synoden durch, aber dadurch wird nicht die kirchliche Realität in den Gemeinden verändert." Ähnliches betont Estela Padilla, Pastoraltheologin von den Philippinen: "Wo bleibt die Stimme der Gemeinden? Ich weiß, dass es Befragungen gibt, aber wo ist die Stimme der Gemeinden präsent im Synodalen Weg? Wo bleibt die Stimme der normalen Menschen bei den Themen, die diskutiert werden? Beim Zuhören geht es nicht nur darum, Probleme zu hören, sondern die Kirche auszubauen und zu stärken."
Versöhnliche Töne versuchte Bischof Joseph-Marie Ndi-Okalla aus Mbalmayo in Kamerun anzustimmen. Vor über 30 Jahren hat er in Bonn studiert, kennt also die Gedankengänge sowohl der Menschen in Deutschland als auch in Kamerun: "Kirche ist die Familie Gottes, Familien sind sehr unterschiedlich. Es geht um Verantwortung, nicht nur um Macht und Amt. Wir müssen den Impuls finden von der Bischofssynode zu einer Synode der gesamten Kirche. Die Kirche Deutschlands geht da voraus."