domradio mit den Reaktionen auf den Wahl-Erfolg der NPD

In der Mitte angekommen

Nach dem Wahlerfolg der rechtsextremen NPD in Mecklenburg-Vorpommern melden sich immer mehr Stimmen aus Kirche und Politik zu Wort. Die jüdischen Gemeinden Niedersachsens zeigten sich "bestürzt". Das katholische Hilfswerk "Caritas" hat zur Bildung einer "großen Koalition" aufgerufen.

 (DR)

Nach dem Wahlerfolg der rechtsextremen NPD in Mecklenburg-Vorpommern melden sich immer mehr Stimmen aus Kirche und Politik zu Wort. Die jüdischen Gemeinden Niedersachsens zeigten sich "bestürzt". Das katholische Hilfswerk "Caritas" hat zur Bildung einer "großen Koalition" aufgerufen. Die Bundesregierung will künftig beim Engagement gegen Rechtsextremismus unter Jugendlichen auf eine "Task Force" setzen. - Hören Sie zu den Hintergründen des rechten Erfolges im domradio-Interview den Sozialwissenschaftler Prof. Christoph Butterwegge: "Der Rechtsextremismus ist in der Mitte Deutschlands angekommen."

"Inhaltliche konsequente Auseinandersetzung mit Programmatik und Politik der NPD"
Der Erfolg der NPD sei nicht mehr nur noch als "Problem des rechten Randes" zu verstehen, erklärt der Leiter der Abteilung für Politikwissenschaft an der Kölner Universität. Verantwortlich seien Themen der täglichen politischen Diskussion, die auch die rechten Parteien aufgreiften. Diese Entwicklung in Deutschland sei "besorgniserregend", warnt Butterwegge.

Ein Verbot der NPD hält Butterwegge für den falschen Weg. So würden nur "Märtyrer geschaffen". Sinnvoller wäre eine inhaltliche, konsequente Auseinandersetzung mit Programmatik und Politik der NPD. "Nur so kann dem Problem Einhalt geboten werden."

Caritas: Wähler sind nicht rechtsradikal, sondern unzufrieden
Nach dem Einzug der NPD in den Schweriner Landtag hat die Caritas zur Bildung einer großen Koalition aufgerufen, um die sozialen Probleme im Land anzugehen. Die Wähler in Mecklenburg-Vorpommern seien nicht rechtsradikal, sondern unzufrieden, sagte Caritasdirektor Alfons Neumann am Montag in Schwerin. Das Land habe die höchste Arbeitslosigkeit, die höchste Abwanderungsquote und die schlechtesten demografischen Zahlen. Wenn es dann von Parteien heiße, man wolle den Erfolg fortsetzen, "fühlen die Menschen sich gedemütigt und ironisch behandelt".

Die Probleme könnten nur mit großer Mehrheit angegangen werden, unterstrich Neumann. Eine Beteiligung der CDU an der Regierung begrüße er auch, weil die Partei im Vorfeld den Trägern der Wohlfahrtpflege zugesichert habe, angekündigte Kürzungen der jetzigen Regierung zurücknehmen zu wollen. Zugleich bedauerte der Chef des katholischen Sozialverbandes, dass immer weniger aktive Christen in den Landtag gewählt würden. Möglicherweise fehle es an ausreichender Unterstützung der Kirchen für Parlamentarier aus ihren Reihen.

Jüdische Gemeinden Niedersachsen bestürzt über NPD-Erfolg
Der Vorsitzende des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden Niedersachsen, Michael Fürst, erhob angesichts des Wahlerfolgs der NPD schwere Vorwürfe gegen die demokratischen Parteien erhoben. "Die Politik hat schlicht versagt, weil sie nicht geschafft hat, die Rechtsradikalen vor allem im Jugendbereich mit rechtsstaatlichen Mitteln zu bekämpfen", sagte er der "Netzeitung".

Forderungen nach einem neuen Verbotsverfahren gegen die rechtsextreme Partei wies Fürst zurück. "Ein NPD-Verbot ist keine sinnvolle Angelegenheit", sagte er. "Das Problem ist nicht die NPD, sondern das rechtsradikale Gedankengut, das die Politik bisher nicht aus den Köpfen der jungen Leute bekommen hat." Der Verbandsfunktionär sprach sich daher für die Einrichtung von mehr Jugendzentren vornehmlich in Ostdeutschland aus. "Die Politik muss mehr Geld in Jugendliche investieren."

Kirchen besorgt über NPD-Einzug in Schweriner Landtag
"Die demokratische Kultur ist schlichtweg unterentwickelt", sagte der Greifswalder Bischof der ev. Kirche, Hans-Jürgen Abromeit. Es sei traurig, dass viele Wähler die "Menschenfängermethoden" der Rechtsextremen nicht erkannt hätten und auch nicht merkten, "dass die NPD die Menschenwürde mit Füßen tritt". Sein Schweriner Amtskollege Hermann Beste mahnte als Reaktion Initiativen der demokratischen Parteien an.

In den nächsten fünf Jahren müsse die Landespolitik Antworten auf die Fragen geben, "die jetzt aus Enttäuschung und Protest" zum Wählen der NPD geführt hätten, so Beste. Offensichtlich habe die Partei in Gebieten mit hoher Arbeitslosigkeit und schwacher Infrastruktur viele Stimmen gewonnen. In diesen Regionen werde ein verstärkter Einsatz nötig sein, und nicht nur in den Zentren wie Schwerin und Rostock, sagte Beste.

Abromeit kritisierte die demokratischen Parteien, weil sie der NPD insbesondere bei den jungen Wählern das Feld überlassen hätten. "Flächendeckend alle Erstwähler anzuschreiben, hätte nicht nur der NPD einfallen können", so der Greifswalder Bischof.

Ministerium: Keine Einsparungen bei Programmen gegen Rechts
Die Bundesregierung will künftig beim Engagement gegen Rechtsextremismus unter Jugendlichen auf eine eigene "Task Force" setzen, die bundesweit zum Einsatz kommen soll. Die Sozialarbeiter, -pädagogen und Psychologen sollten an Brennpunkten in konkreten Fällen zum Einsatz kommen, kündigte die Sprecherin des Bundesfamilienministeriums, Iris Bethge, am Montag vor Journalisten in Berlin an. Sie bekräftigte, die Bundesregierung wolle auch 2007 wie bisher 19 Millionen Euro jährlich für den Kampf gegen Rechtsextremismus bereitstellen. Anders als unter der Vorgängerregierung seien keine Kürzungen geplant.

Zugleich verteidigte die Sprecherin die zum Jahresende auslaufende Förderung der Initiativen "Civitas" und "Entimon", die Ende 2006 auslaufen und nach sechs Jahren nicht weiter unterstützt werden könnten. Das Programm "Jugend für Vielfalt, Toleranz und Demokratie - gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus" solle ab Mitte 2007 effektiver als die bisherigen Programme gegen Rechtsextremismus unter Jugendlichen vorgehen. Es gehe dabei - neben der Task Force - vor allem um stets maßgeschneiderte Programme.
(dr,epd)