DOMRADIO.DE: Du hast Kardinal Meisner über 25 Jahre lang begleitet, woran erinnerst du dich besonders gerne?
Ingo Brüggenjürgen (DOMRADIO.DE-Chefredakteur): Also zunächst einmal sind es die persönlichen Begegnungen mit ihm. Ich habe ihn als großartigen Seelsorger ganz persönlich kennengelernt. Er war nicht nur diese öffentliche Figur, die alle irgendwo kannten. Wenn man mit ihm ganz vertraut im seelsorgerischen Gespräch war, dann konnte man sein großes priesterliches Wirken erleben.
Ich habe das zum Beispiel ganz konkret erlebt. Bei uns gab es mit dem dritten Kind in der Schwangerschaft Probleme. Das hat er irgendwie mitbekommen und hat dann die Schwierigkeiten dieser Schwangerschaft die ganze Zeit im Gebet begleitet und war heilfroh als das dritte Kind da war. Er ist ein sehr starker Seelsorger gewesen.
DOMRADIO.DE: Die persönliche, starke Rolle als Seelsorger auf der einen Seite, dann aber sein offizielles Amt als Erzbischof von Köln auf dern anderen Seite. War das ein Gegensatz?
Brüggenjürgen: Ich würde sagen: Ja und Nein. Auf der einen Seite ist man als Erzbischof von Köln natürlich gefordert und in Leitungsverantwortung. Da war er jemand, der natürlich bisweilen auch angeeckt hat mit seinen klaren Positionen. Er war jemand, der sich sehr stark gemacht hat für seine Position und wenn er dann Gegenwind hatte dann hat ihn das nicht umgeworfen, sondern er stand noch viel fester in seinen Positionen, beim Lebensschutz zum Beispiel ganz bewundernswert. Aber es gab da noch andere Positionen, wo er sich manchmal schwergetan hat.
Stichwort: Laienvertretung. Mit dem Zentralkomitee der Katholiken hat er immer seine Schwierigkeiten gehabt, das muss man einfach so sagen. Wenn ich zum Beispiel als Berichterstatter von diesen Sitzungen des Zentralkomitees zurückkam, sagte er immer, da brauchen Sie überhaupt nicht hinfahren. Das war also eine Situation, so wie man ihn kennt: knorrig hart, aber dann in der Seele, im Herzen ein ganz, ganz liebensvoller Mensch.
DOMRADIO.DE: Schauen wir auf seine Rolle in der Weltkirche, als Kardinal, der ja mit dem damaligen Papst Johannes Paul II. gut konnte. Welche Bedeutung siehst du hier im Rückblick?
Brüggenjürgen: Ich glaube das Kapitel ist noch nicht zu Ende geschrieben, denn die Bedeutung für die Weltkirche wird glaube ich auch in Zukunft noch viel stärker heraustreten. Er war jemand, der zu einem Zeitpunkt als Erzbischof nach Köln kam, als diese ganze Annäherung zwischen Osten und Westen passierte. Als Erzbischof von Berlin war er immer jemand, der schon in beiden Systemen im Kommunismus und im Kapitalismus zu Hause war. Er hat viel davon erzählt, von diesen Grenzübertritten und von den Schwierigkeiten. Das hat ihn sehr geprägt.
Man muss ja wissen, dass er ganz eng mit dem damaligen Papst Johannes Paul II. befreundet war. Die beiden haben schon ein großes Kapitel der Weltkirche gemeinsam gestaltet. Die ganze Öffnung ist glaube ich ein großer Verdienst von Johannes Paul II. Aber Joachim Kardinal Meisner trägt auch ein großes Stück Mitverantwortung dafür. Er hat sich eingeklinkt und er war bis zu seinem Tod und auch lange darüber hinaus ein ganz großer und beliebter Erzbischof und Kardinal, der auch in vielen Ostländern Europas diese Anerkennung genießt.
DOMRADIO.DE: Was wird bleiben nach diesem Jahresgedächtnis?
Brüggenjürgen: Viele vermissen ihn manchmal. Sie sagen, die Position, die er vertreten hat, die braucht es. Es war natürlich eine konservative Position im Katholizismus und jeder, der ihn persönlich irgendwie erlebt hat, der ist immer noch schmerzlich betroffen, dass er dann doch so früh gestorben ist und so unerwartet. Er ist natürlich friedlich gestorben und insofern ist es heute ein Jahresgedächtnis, das viele sehr mitfühlend feiern und sich nochmal gerne an diesen großen Erzbischof von Köln, Kardinal Joachim Meisner, erinnern.
Das Interview führte Carsten Döpp.