Dortmunder Gemeindereferent zu Dortmunder Fußball-Krawallen

"Das hat nichts mehr mit menschlicher Würde zu tun"

Vor dem heutigen Spiel Borussia Dortmund-Hertha BSC sorgen die Ausschreitungen beim BVB-Heimspiel gegen RB Leipzig weiter für Diskussionen. Er sei zutiefst schockiert und peinlich berührt gewesen, sagt der Dortmunder Gemeindereferent Karsten Haug.

Ausschreitungen vor dem Bundesligaspiel Borussia Dortmund gegen RB Leipzig / © Ingo Hahne (dpa)
Ausschreitungen vor dem Bundesligaspiel Borussia Dortmund gegen RB Leipzig / © Ingo Hahne ( dpa )

domradio.de: Wie haben Sie das Geschehen am Wochenende erlebt und empfunden?

Karsten Haug (Gemeindereferent in der Dortmunder Pfarrei Heilige Drei Könige und BVB-Fan): Von den Ausschreitungen habe ich erst am Sonntagmorgen erfahren. Davon bekommt man im Stadion nichts mit, weil die gewalttätigen Übergriffe hauptsächlich vor dem Spiel stattgefunden haben – und weil ich im Rücken der Südtribüne gesessen habe und die Plakate und Banner erst nachher im Fernsehen richtig sehen konnte.

Einige Plakate waren zutiefst geschmacklos und menschenverachtend. Zum Beispiel das Plakat mit dem Ralf Rangnick, der Sportdirektor von Leipzig, zum Suizid aufgefordert wurde. Ich glaube, das hat nichts mehr mit menschlicher Würde zu tun. Die Gewalt hat mich auch zutiefst schockiert - gerade der Angriff auf eine Familie mit Kindern. Und ich war peinlich berührt, gerade weil es auch Anhänger meines Vereins waren, die das getan haben. Wer sowas macht, ist für mich kein BVB-Fan.

domradio.de: Haben Sie einen Erklärungsansatz, warum das so ausarten konnte?

Haug: Ich könnte mir nur vorstellen, was dahinter steckt: Viele Fans der Bundesliga - nicht nur die BVB-Fans - haben Probleme mit dem Konstrukt RB Leipzig. Denn das ist kein Traditionsverein. Da hat sich eine große Getränkemarke einen Verein ausgesucht, hat ihn "gekauft" bzw. unterstützt ihn jährlich mit Millionen und hat damit nach 12 Jahren geschafft, dass er in die Bundesliga kommt. Da steckt keine Tradition dahinter, sondern - laut Fans - eine pure Geschäftemacherei, eine Kommerzialisierung, die nur dazu dient, das Produkt strategisch gut zu positionieren.

domradio.de: Aber auch Traditionsvereine suchen sich finanzkräftige Sponsoren…

Haug: Genau. Die Kommerzialisierung hat im Fußball unheimlich zugenommen. Zum Beispiel, wenn wir auf das gucken, was die FIFA und die UEFA vorhaben: Ausweitung der WM und eventuell eine Superliga in der nur die reichen Vereine spielen. Meiner Meinung nach macht das den Fußball kaputt.

Beim Verein RB Leipzig begründet sich der Unmut aber wohl in der Tatsache, dass sie "Emporkömmlinge" sind. Aber auch dort gibt es natürlich ganz normale Fans, die mit Leidenschaft hinter ihrem Verein stehen und der ist nun mal auch in der Bundesliga. Man kann sich kritisch damit auseinandersetzen, aber das heißt nicht, Gewalt anzuwenden oder menschenverachtende Plakate hochzuhalten

domradio.de: Schauen wir mal in die Zukunft, auf heute Abend. Da geht es gegen Hertha BSC. Gibt es da besondere Sicherheitsmaßnahmen? Hat die Polizei nachgerüstet?

Haug: Es ist ein Achtelfinalspiel, also von hohem Interesse für beide Vereine. Berlin will in der eigenen Stadt das Finale erreichen, Dortmund würde gerne zum fünften Mal hintereinander das Viertelfinale erreichen, um dann nach dem Halbfinale auch zum Finale zu fahren. Ich glaube, dass es am Samstag eine besondere Ausnahme war. Dass da irgendwas passieren wird, wurde sogar vorher angekündigt. Von daher bin ich heute ganz hoffnungsvoll, dass es ruhig bleibt.

Das Gespräch führte Hilde Regeniter


Quelle:
DR