Drei Fragen an den Theologen und "Kulinaristiker" Fuchs

"Essen zu Weihnachten drückt Gemeinschaft aus"

Der katholische Theologe Guido Fuchs erforscht in der "Kulinaristik", wo sich Religion, Ess- und Alltagskultur berühren. Das Essen in Gemeinschaft drücke das besonders Festliche an Weihnachten aus, betont Fuchs.

Weihnachtsessen in der Familie / © Wolfgang Radtke (KNA)
Weihnachtsessen in der Familie / © Wolfgang Radtke ( KNA )

epd: Herr Fuchs, Essen an Weihnachten - hat sich da etwas geändert?

Guido Fuchs (Experte des Hildesheimer Institutes für Liturgie- und Alltagskultur): Der Heiligabend war bis ins vergangene Jahrhundert hinein vor allem für Katholiken ein Fasten- und Bußtag in Vorbereitung auf das Weihnachtsfest. In evangelischen Familien gab es eine häusliche Heiligabend-Andacht. Weihnachten begann erst mit der Christmette zur Mitternacht. Deshalb hielt man sich an diesem Tag mit dem Essen zurück. Das wirkt bis heute nach. Am Heiligabend gibt es in vielen Familien nur Würstchen und Kartoffelsalat. Das große Festessen kommt erst am 25. Dezember auf den Tisch. Doch die Praxis in vielen Familien ändert sich, weil die Traditionen nicht mehr bekannt sind.

epd: Welche Essenstraditionen gibt es denn beim Weihnachtsessen?

Guido Fuchs: An hohen Festen pflegen viele Menschen alte Rituale. Es gibt tradiertes regionales Essen, so die Würstchen mit Kartoffelsalat oder Sauerkraut, schlesische Weißwürste oder Karpfen. Früher war Weihnachten gleichzeitig der Neujahrstag, deshalb hat man etwas gegessen, was Glück symbolisierte, zum Beispiel den Weihnachtskarpfen.

epd: Weihnachten gilt als Familienfest. Auch beim Essen?

Guido Fuchs: Erst seit der Biedermeierzeit mit aufkommender Kleinfamilie ist Weihnachten ein Familienfest. Dafür ist ein Essen wichtig, das Gemeinschaft ausdrückt. Von den 1960er Jahren an war deshalb ein lässig-kommunikatives Essen aus einem Topf angesagt, etwa Fondue oder Raclette. Wer in Gemeinschaft isst, drückt das besonders Festliche des Tages aus, denn im Alltag wird es immer seltener, dass die ganze Familie zum Essen zusammensitzt. Schon gar nicht generationenübergreifend. Übrigens hielt man früher vor allem im Alpenraum einen gedeckten Platz für einen Weihnachtsgast frei - für Jesus Christus oder auch für jemanden, der tatsächlich unverhofft vorbeikam. Früher waren die Familien nicht so abgeschlossen wie heute, wo es fast undenkbar ist, irgendwo am Heiligabend nach 16 Uhr zu klingeln. Dieser schöne alte Gedanke, zu Weihnachten Fremde, zum Beispiel Flüchtlinge einzuladen, ist heute wieder hochaktuell.

Das Interview führte Matthias Dembski.


Quelle:
epd