DOMRADIO.DE: In Roggenburg treffen sich Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus 25 Ländern. Wie läuft da eigentlich die Verständigung ab? Welche Sprache sprechen Sie?
Schwester Marjolein Bruinen OP (Dominikanerin, Generalsekretärin der Vereinigung der europäischen Ordensoberen): Wir haben vier Sprachgruppen und da haben wir auch Übersetzer. Es wird simultan übersetzt in Italienisch, Russisch, Englisch und Deutsch.
DOMRADIO.DE: Schwester Marjolein, es sind rund 70 Vorsitzende, die sich in Roggenburg treffen sollten. Aber sind die alle gekommen?
Schwester Marjolein: Es sind leider nicht alle gekommen. Es sind Präsidenten, Vizepräsidenten und Generalsekretäre nationaler Konferenzen. Es könnten also aus einem Land mehrere kommen. Aber leider sind von den 70 Personen nur 50 eingetroffen, weil manche sich wegen des Coronavirus zurückgezogen haben – zum Beispiel Teilnehmer aus Italien.
DOMRADIO.DE: Haben die das freiwillig gemacht, oder durften sie nicht kommen?
Schwester Marjolein: Das ist ganz unterschiedlich. Sie konnten durch Ausfälle von Flügen nicht kommen. Von anderen gab es aber auch die Aussage, dass sie in einem Kloster wohnen, und das Risiko nicht eingehen wollen, die vielen älteren Personen dort zu gefährden. Zudem gibt es Teilnehmer, die krankheitsbedingt nicht gekommen sind.
DOMRADIO.DE: Das Thema der Versammlung heißt eigentlich "Herausforderungen des Ordenslebens in Europa". Im Moment ist die Herausforderung auch bei Ihnen die Coronavirus-Pandemie. Was würden Sie sagen - Ist das im Moment die größte Herausforderung für Ordensmänner und -frauen?
Schwester Marjolein: Ja, es gibt eigentlich drei. Die erste Herausforderung ist die große Unterschiedlichkeit - etwa die Sprachen. Die Länder sind total unterschiedlich. Es gibt teilweise Länder, die vor 40 oder 70 Jahren noch Feinde waren, die jetzt zusammenarbeiten. Dann gibt es noch große Unterschiede zwischen Ost und West, auch im Erleben und der Ausübung von Religion.
Eine zweite Herausforderung ist der Skandal des geistlichen und sexuellen Missbrauchs. Daran haben viele zu knabbern und müssen das aufarbeiten. Eine dritte ist, wie man auch überall sieht, die Überalterung in den Klöstern und die Tatsache, das viele Klöster so klein werden, dass sie schließen müssen.
DOMRADIO.DE: Wie gehen Sie auf dieser Tagung mit dem Thema Missbrauch um? Wie steht das auf der Tagesordnung?
Schwester Marjolein: Wir haben bereits angefangen, die Gruppen zu formieren: Da gibt es Gruppen, die sich mit der Überalterung beschäftigen, und mehrere Gruppen, die sich mit Missbrauch beschäftigen und erarbeiten, wie man damit umgehen und wie man vorbeugen kann. Aber da gibt es noch keine Ergebnisse in diesem Moment.
DOMRADIO.DE: Während der Konferenz hält auch eine protestantische Ordensfrau einen Vortrag. Ist die Ökumene etwas, worin die Zukunft des Ordenslebens in Europa liegen könnte?
Schwester Marjolein: Ja, unbedingt. Schwester Nicole hat heute Morgen Ihren Vortrag gehalten. Die Union der Höheren Ordensoberen/innen (UCESM) ist eigentlich nur für Katholiken. Aber wir denken schon länger darüber nach, dass wir unsere Grenzen eigentlich etwas verlegen wollen. Und auf jeden Fall sind dann die Protestanten die ersten, die da infrage kommen. Mit ihnen sollte man auf jeden Fall in Kontakt treten. Vielleicht können sie sogar auf Dauer auch Mitglied werden.
DOMRADIO.DE: Sie sind mit rund 50 Männern und Frauen im Kloster Roggenburg in Bayern. Man möchte sich auch viel begegnen. Haben Sie Begegnungsvorschriften, bezogen auf die Coronavirus-Pandemie, die Sie anwenden?
Schwester Marjolein: Wir haben sie, aber die meisten halten sich nicht unbedingt daran, weil es so eine herzliche Begegnung ist. Da hat man sich schon mal in die Arme genommen, bevor man denken kann: Ach nein, das dürfen wir eigentlich nicht. Die Vorsichtsmaßnahmen gibt es schon, auch in der Messfeier zum Beispiel bei der Kommunion und beim Friedensgruß. Aber in den persönlichen Kontakten, auch weil man sich sehr gut kennt, vergisst man das einfach.
DOMRADIO.DE: Da steht die Liebe drüber?
Schwester Marjolein: Ja, da steht die Liebe drüber.
Das Interview führte Uta Vorbrodt.