Moraltheologe sieht erschreckende Leichtigkeit des Missbrauchs

"Dreistigkeit und Perfidität der Täter"

Sexueller Missbrauch in Kirche und Gesellschaft ist nach Worten des Frankfurter Moraltheologen Christof Mandry in der Vergangenheit oft nicht genug erschwert worden. Er sprach von einer besonderen "Dreistigkeit der Täter".

Symbolbild Missbrauch / © Harald Oppitz (KNA)
Symbolbild Missbrauch / © Harald Oppitz ( KNA )

Es habe "eine erschreckende Leichtigkeit des Missbrauchs" gegeben, sagte Mandry am Donnerstag bei einer von der Goethe-Universität Frankfurt veranstalteten digitalen Tagung zum Thema Machtmissbrauch. Mandry hat Erzählungen von Missbrauchsbetroffenen untersucht.

Er sprach davon, dass die Unterlegenheitssituation von Betroffenen, meist Kinder und Jugendliche, oft auf eine "Dreistigkeit und Perfidität der Täter" treffe. Die Täter bauten systematisch ein Vertrauensverhältnis auf, um es anschließend ausnutzen zu können. Diese Strategie treffe häufig auf eine "Blindheit und Abgestumpftheit" des Umfelds der Missbrauchten, das sich Andeutungen wie auch Missbrauchsanzeichen der Betroffenen nicht zuwende.

"Erfahrungen der Ohnmacht"

Kinder, die sexuellen Missbrauch erführen, erlebten "elementare Erfahrungen der Ohnmacht", weil sie meist gar nicht verstünden, was ihnen geschehen sei. Oft deuteten sie solche Taten zunächst fälschlicherweise "als Zuwendung, Nähe und sogar Wohlwollen der Täter". Erst im Laufe der Zeit werde ihnen klar, dass es sich um sexuellen Missbrauch handelte.

Meist erst lange nach der Tat erzählten sie davon, weil es sehr schwierig sei, die "richtige Sprache" für das Geschehene zu finden, so Mandry. Erst wenn man den Mut zum Reden finde, könne man "aus der Erstarrung heraus" zur Aktion übergehen.

Mandry (53) ist Professor für Moraltheologie und Sozialethik an der Goethe-Universität Frankfurt am Fachbereich Katholische Theologie. Er sprach bei der Tagung mit dem Titel "Machtlegitimation, Machtausübung, Machtmissbrauch".


Quelle:
KNA