Im heutigen Sonntagsevangelium, dem Gleichnis von den anvertrauten Geldern (Mt 25, 14–28; Lk 19, 12–24) kommt der positive Hintergrund, das Anbrechen der „malkût Jahwe“ (der Königsherrschaft Gottes) im Verhalten der beiden ersten Knechte zum Ausdruck: Weil diese sich eben (entsprechend dieser Erfahrung) von ihrem Herrn unendlich geliebt und angenommen fühlen, können sie nicht mehr distanziert als Knechte handeln; sie können nicht mehr tun, was damals üblich war: nämlich das anvertraute Gut in der Erde verwahren (wie dies der ängstliche Knecht tut), um es später unbeschädigt zurückzugeben, sondern sie müssen mit dem Anvertrauten „wirtschaften“ und es vermehren, so, als wären sie Teilhaber, Söhne und Erben. Erst angesichts dieses Pathos der Mündigkeit, das Ausdruck der anbrechenden „malkût Jahwe“ ist, kommt das „Unmögliche“ im Tun des ängstlichen Knechts zum Vorschein, und es ist klar, dass der zurückkehrende Herr ihm das Wenige, was er bekommen hat, abnimmt, um es den beiden anderen zu geben, und dass er diese endgültig als Partner und Teilhaber an seinem Wirken bestätigt: „… nimm teil an der Freude deines Herrn“ (V 21; V 23). Wieder hat der Hörer, der diese Logik der Geschichte mit- und nachvollzieht, sich innerlich der anbrechenden „malkût Jahwe“ geöffnet und sich deren Lebensmöglichkeit, hier die religiöse Mündigkeit, zuspielen lassen.
Georg Baudler (Theologe und Religionspädagoge, * 1936), aus: Ders., Jesus im Spiegel seiner Gleichnisse. Das erzählerische Lebenswerk Jesu – ein Zugang zum Glauben, Stuttgart, München 1986, 125. © beim Autor
aus: Magnificat. Das Stundenbuch. November 2017