Nun ist es offiziell: Papst Franziskus hat Bischof Heiner Koch zum neuen Erzbischof von Berlin ernannt. Vorausgegangen war die Wahl Kochs durch das Berliner Domkapitel und die Zustimmung der Länder Berlin und Mecklenburg-Vorpommern, die keine "Bedenken politischer Art" gegen den Kandidaten erhoben hatten. Dies wäre ihnen nach dem weiter geltenden Preußenkonkordat möglich gewesen. Das Land Brandenburg verzichtet generell auf solche Stellungnahmen.
Noch vor wenigen Tagen hatte Koch - wohl in Anbetracht des anstehenden Rufs nach Berlin - noch einmal seine Verbundenheit mit dem Bistum Dresden-Meißen hervorgehoben. "Noch nie wie in den letzten Tagen ist mir bewusstgeworden, wie sehr ich hier im Bistum Dresden-Meißen zu Hause bin, auch wenn ich kein typischer Dresdner bin, der, selbst wenn er nach Hause geht, Heimweh hat", hatte er am Donnerstagabend im Gottesdienst des Bistums zum Fronleichnamsfest in Dresden gesagt.
In seiner Predigt betonte Koch die Bedeutung der Verbundenheit mit Heimat, insbesondere in einer von Mobilität und Globalität geprägten Gesellschaft. "Orte und Geschichten machen deshalb die menschliche Heimat aus, vor allem aber die Menschen, denen wir vertrauen können und die uns vertrauen", so Koch. Heimat müsse immer wieder wachsen: "Wir sind als Kirche Weggemeinschaft, wir sind als Kirche unterwegs, wir dürfen uns nicht zu behaglich einrichten und sitzen bleiben."
Fachliche Kompetenz und menschliche Unkompliziertheit
An der Spitze des sächsischen Bistums Dresden stand Koch erst seit gut zwei Jahren. In dieser Zeit hatte sich der gebürtige Düsseldorfer schnell in die ostdeutsche Minderheitensituation "eingearbeitet". Fachliche Kompetenz und menschliche Unkompliziertheit machen den Ruf des 60-Jährigen aus. Dass der stets bescheiden, aber humorvoll auftretende Koch für höhere Ämter qualifiziert sei, stand für viele außer Frage.
Die Berufung Kochs zum Nachfolger von Kardinal Rainer Maria Woelki, der im vergangenen September nach Köln wechselte, ist demnach keine Überraschung. Beide verbindet einiges: Sie waren gemeinsam Weihbischöfe im Erzbistum Köln, bevor sie nacheinander in den Osten kamen. Beide mögen Kölsch, Fußball und rheinischen Frohsinn. Beide können gut mit Medienvertreten umgehen und auch härtere katholische Kost diplomatisch "verkaufen". Für beide war die Diaspora zunächst Neuland. Und beide haben mit dafür gesorgt, dass der rheinische Menschenschlag nun auch im Osten ein Begriff ist.
"Mitnehmen und Integrieren"
Koch fand damals schnell einen Zugang zu den Katholiken in den neuen Bundesländern, weit über sein Bistum hinaus. Bereits bei seinem Antritt in Dresden im März 2013 hatte er erklärt: "Ich komme nicht und sage, was zu tun ist." Sein "Führungsverständnis" ziele vielmehr auf "Mitnehmen und Integrieren" ab. Entsprechend ging er die auch aufgrund sinkender Priesterzahlen notwendige Bistumsreform moderat an: Sie läuft zunächst unter dem Motto "Pastoraler Erkundungsprozess". Koch besucht die Gemeinden seines Bistums dabei immer zuerst als "Zuhörender", der ein Gespür für die regionalen Befindlichkeiten bekommen will, auch mit Blick auf die DDR-Vergangenheit. Um "Fettnäpfchen" zu vermeiden, ließ er sich eigens beraten, welche Reizworte er als "Wessi" besser vermeiden sollte.
Doch der als Workaholic bekannte Koch nimmt seine "Schäfchen" auch in die Pflicht: Er legt ein strammes Arbeitspensum vor, mahnt Gemeinden und Mitarbeiter, aktiv mitzugestalten. Eine solche Form der Mitverantwortung kann auch anstrengend sein - das war nicht jeder im Bistum gewöhnt. Doch insgesamt kommt es gut an. Als sehr gut gilt auch Kochs Verhältnis zu seinem evangelischen Amtskollegen Jochen Bohl. Ökumene war für beide nie eine Ökumene des kleinsten gemeinsamen Nenners.
Familienbischof der Bischofskonferenz
Als "Familienbischof" der Deutschen Bischofskonferenz ist Koch in vielen gesellschaftlichen Debatten bereits ein gefragter Ansprechpartner. Mit Blick auf die anstehende Familiensynode im Herbst im Vatikan muss er einerseits die kirchliche Position in Deutschland vermitteln, andererseits in Rom der Weltkirche den Standpunkt der Kirche in Deutschland verdeutlichen. Es ist ein Projekt, an dem sein Herzblut hängt, und bei dem er zugleich weiß: "Der Erwartungsdruck ist ungeheuer groß."
Mit großer Neugier und Offenheit betreibt Koch den Dialog mit Konfessionslosen. Die Direktheit vieler Nichtgläubiger verblüffte ihn ebenso, wie sie ihn nachdenklich machte. Etwa als er eine ganze Familie in die Kirche aufnahm und die Großmutter anschließend am Kaffeetisch neben ihm in Tränen ausbrach: "Was habe ich nur falsch gemacht, dass sich meine Kinder jetzt taufen lassen?"
Antritt frühestens im September
Als Koch den 100. Katholikentag für 2016 nach Leipzig holte, machte er auch schnell deutlich, dass dies kein "normaler" Katholikentag werde. Der Dialog mit Nichtgläubigen müsse im Zentrum stehen - als ostdeutsches Charakteristikum, das aber auch zunehmend für den Westen Bedeutung hat. Koch weiß, wie man solche christlichen Großveranstaltungen organisiert: 2005 war er "Generalsekretär" des Kölner Weltjugendtags, zu dem Benedikt XVI. kurz nach seiner Papstwahl in die Domstadt kam. Als Erzbischof von Berlin und "katholisches Gesicht der Hauptstadt" werden Koch diese Erfahrungen sicherlich nützlich sein.
Sein Amt wird Koch frühestens im September antreten. Die Einführung erfolge erst nach der Zeit der Sommerferien, kündigte der Berliner Diözesanadministrator Tobias Przytarski am Montag an. Der Termin werde mit Koch, der Deutschen Bischofskonferenz und der Nuntiatur noch abgestimmt, sagte der Prälat. Er leitet das Erzbistum übergangsweise bis zum Amtsantritt des neuen Erzbischofs.