Dresdens Bischof Joachim Reinelt geht in den Ruhestand

Volksnaher Seelsorger

Als Kirchenfürst gab sich Joachim Reinelt nie. Wie seine ostdeutschen Amtsbrüder war er als Bischof des Bistums Dresden-Meißen eher ein volksnaher und bodenständiger Seelsorger.

Autor/in:
Gregor Krumpholz
Altbischof Reinelt im domradio.de-Interview  (DR)
Altbischof Reinelt im domradio.de-Interview / ( DR )

Dabei scheute der gebürtige Schlesier nicht vor klaren Worten zurück, wenn er es in der politischen Debatte für erforderlich hielt. Nun tritt Reinelt seinen ersehnten Ruhestand an. Am Montag nahm der Papst sein Rücktrittsgesuch an. An seinem 75. Geburtstag im vergangenen Oktober hatte Benedikt XVI. ihn noch um eine Verlängerung seiner Amtszeit über die bischöfliche Altersgrenze hinaus gebeten.



Seine Offenheit und Unkompliziertheit in der Begegnung mit anderen Menschen ist gepaart mit einer Prise Eigensinn - einem Wesenszug, ohne den die Katholiken im Osten Deutschlands die beiden kirchenfeindlichen Systeme nicht überstanden hätten. So sollte der Sohn eines Postbeamten 1953 als 17-Jähriger wegen "Verbreitung von RIAS-Thesen" vom Gymnasium im sächsischen Radeberg verwiesen werden - und das, obwohl die Familie mangels Radio den bei den Kommunisten verhassten West-Sender gar nicht hören konnte. Auf einer Vollversammlung aller Schüler und Lehrer musste Reinelt sich verteidigen und las aus seinem kritisierten Aufsatz vor. Das Verfahren wurde eingestellt, weil keiner die angeblichen Propagandasätze benennen konnte.



Als Reinelt nach dem Abitur Theologie studierte, erfuhr er im Priesterseminar nach eigenem Bekunden eine bis dahin nicht gekannte Atmosphäre der Freiheit. Von seinen akademischen Lehrern beeinflusste ihn vor allem der Neutestamentler Heinz Schürmann, eine der prägenden Gestalten in der katholischen Kirche der DDR. Er war es auch, der den jungen Studenten noch vor dem Mauerbau in West-Berlin in Kontakt mit der aus Italien stammenden Fokolar-Bewegung brachte. Dieser neuen geistlichen Gemeinschaft ist Reinelt seither in besonderer Weise verbunden.



Nach seiner Priesterweihe 1961 war Reinelt Seelsorger in Gera, Freiberg, Ebersbach, Dresden und Altenberg. 1986 wurde er Caritasdirektor des Bistums, zwei Jahre später ernannte ihn Papst Johannes Paul II. zum Bischof. Reinelts bischöflicher Leitspruch "Jesus in medio" lehnt sich an das Wort Jesu "Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen" an. Darin kommt seine Überzeugung zum Ausdruck, dass Kirche mitten in der Welt möglich ist.



Neue Chancen genutzt

1988 waren allerdings die Perspektiven noch kaum zu erahnen, die sich wenig später nach dem Ende des SED-Regimes eröffneten. Reinelt nutzte die neuen Chancen, die sich der Kirche boten. Er veranstaltete Bildungstage für die neuen Politiker, gründete Schulen, Einrichtungen der Erwachsenenbildung sowie zahlreiche neue Caritasdienste. Zudem rief er die Kirchengemeinden auf, sich für Außenstehende zu öffnen. In der Deutschen Bischofskonferenz leitete er 15 Jahre die Kommission für caritative Fragen, zudem war er stellvertretender Vorsitzender der Kommission für gesellschaftliche und soziale Fragen. Zuvor stand er an der Spitze der Arbeitsgruppe für Umweltfragen.



Breit ist das Spektrum der Themen, zu denen Reinelt auch in der Öffentlichkeit pointiert Stellung bezieht. So verurteilt er die Präimplantationsdiagnostik als "Kultur des Todes", weil dabei Embryonen vor der Einpflanzung in die Gebärmutter auf mögliche Krankheiten untersucht und gegebenenfalls vernichtet werden. Vehement wendet sich Reinelt auch gegen die alljährlichen rechtsextremistische Aufmärsche am 13. Februar, dem Gedenktag der Bombardierung Dresdens. "Nationalsozialistisches Gedankengut vernichtet Frieden in den Köpfen und Herzen", betont er.



Eigentlich wollte Reinelt nach eigenem Bekunden mit Erreichen der bischöflichen Altersgrenze von 75 Jahren in den Ruhestand treten. Doch auf Wunsch von Papst Benedikt XVI. geht er in die Verlängerung. Auch seine offenkundig ungebrochene Freude am Bischofsamt spielt dabei wohl eine wichtige Rolle.