Dreyer fordert auf dem Katholikentag Frauenweihe

"Das ist überfällig"

Dringenden Änderungsbedarf sieht Ministerpräsidentin Malu Dreyer in der katholischen Kirche nicht nur beim Thema Frauenweihe. Gleichzeitig würdigt die Politikerin das kirchliche Engagement bei der Flutkatastrophe.

Malu Dreyer (SPD), Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz / © Hannes P. Albert (dpa)
Malu Dreyer (SPD), Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz / © Hannes P. Albert ( dpa )

DOMRADIO.DE: Was bedeutet für Sie so ein Katholikentag?

Malu Dreyer (Ministerpräsidentin Rheinland-Pfalz): Ich gehe sehr gerne zum Katholikentag. Man trifft hier lauter engagierte Christen und Christinnen, das möchte ich schon sagen. Es ist auch ein bisschen Ausdruck dafür, dass trotz all der Probleme, in der die katholische Kirche steckt, es trotzdem ganz viel Lebendigkeit gibt.

Und das kann man eben beim Katholikentag immer auch ganz schön sehen. es ist auch ein bisschen Ermutigung für diejenigen, die in der katholischen Kirche sich engagieren und sagen: Wir wollen auch was verändern, aber es ist wichtig, dass die Kirche sich weiterentwickelt. Aber wir sind da, wir wollen mitmachen. Das zu unterstützen, darum geht es mir auch.

DOMRADIO.DE: Nach aktuellen Umfragen sind es inzwischen unter 50% der Deutschen, die sich den zwei großen Kirchen zugehörig fühlen. Was heißt das für Sie als Politikerin? Was bedeutet es für die Gesellschaft, wenn die Relevanz von Kirche und Christentum immer mehr zurückgeht?

Malu Dreyer

"Die Welt verändert sich und Kirche muss sich unbedingt auch verändern."

Dreyer: Das ist aus meiner Sicht natürlich sehr schade, weil Kirche natürlich auch so etwas ist wie eine Säule in unserer Gesellschaft, wenn es darum geht, wichtige soziale, friedenspolitische Themen nach vorne zu bringen, demokratiebildende Themen nach vorne zu bringen. Die Kirche ist immer ein ganz fester, vertrauter Partner auch. Dennoch muss man sagen:

Die Welt verändert sich und Kirche muss sich unbedingt auch verändern. Es wird nicht anders gehen. Wir wollen, dass es auch in Zukunft Christen und Christinnen gibt, die sich in ihren Kirchen zu Hause fühlen. Die hohen Austrittswellen, die vielen Skandale, die da sind, das muss einfach ein Ende haben. Und der Synodale Weg muss wirklich erfolgreich zu Ende gebracht werden, weil es sehr, sehr schade wäre, dass diejenigen, die jetzt noch da sind, die engagiert sind, auch noch enttäuscht werden.

Ich habe so viele junge, engagierte Christen und Christinnen getroffen, die wollen die Veränderung und sie wollen auch, dass katholische Kirche bleibt. Nur dass sie eben anders bleibt. Das sollten wir unbedingt unterstützen. Eine Gesellschaft ohne Kirche kann ich mir eigentlich nicht vorstellen. Wir brauchen die Kirche auch heute.

DOMRADIO.DE: Verantwortung für Frauen ist immer noch ein großes Problem in der Kirch. Haben Sie da konkrete Forderungen an Ihre Kirche?

Dreyer: Ja, die sind auch nicht neu. Es ist eigentlich ein dramatischer Zustand, dass wir in der heutigen Zeit immer noch in der Situation sind bei der katholischen Kirche, wo Frauen keine hohen Ämter eigentlich innehaben.

Malu Dreyer

"Ich finde, es ist überfällig, dass die Weiheämter auch Frauen zugetraut werden. Das heißt Priesterinnen."

Ich finde, es ist überfällig, dass die Weiheämter auch Frauen zugetraut werden. Das heißt Priesterinnen. Es geht gar nicht, dass wir Kirche reformieren und am Ende sollen Frauen dann ehrenamtlich irgendwo Lücken füllen, aber man traut ihnen nicht zu, dass sie eben auch Weiheämter ausüben. Und deshalb muss dieser Schritt kommen.

Ich weiß, das ist irgendwie kompliziert, auch wegen Rom, aber das ist die Erwartung an Synodalen Weg, dass sich da dran etwas verändert, dass man Frauen Verantwortung gibt, sowohl in den hohen Verwaltungsleitungsebenen als auch eben in den Weiheämtern. Nur so haben wir auch eine Chance, dass Kirche lebendig bleibt in den Gemeinden, dass Frauen und Männer gemeinsam Kirche gestalten. Und ich glaube, es ist längst überfällig. Ich glaube, der Druck ist enorm groß. Frauen halten ganz viel aufrecht in der katholischen Kirche, ehrenamtlich. Stellen Sie sich einfach mal vor, Frauen wären nicht mehr engagiert in der katholischen Kirche. Da wird ganz viel überhaupt nicht mehr funktionieren. Aber Ehrenamt kann halt auch nur funktionieren, wenn man gleichzeitig auch Augenhöhe und Wertschätzung gibt und eben Frauen auch in die Verantwortung nimmt. Ganz bewusst.

Ich hoffe sehr, dass der Synodale Weg zu einem guten Ergebnis kommt und dass auch mit Nachdruck in Rom deutlich gemacht wird, dass die Kirche hier so eigentlich nicht weiter wirken kann, sondern wir werden immer kleiner, es gibt immer weniger Priester. Es ist einfach überfällig, dass Frauen auch Priesterinnen werden können. Wir haben ja in Amazonien das auch schon erlebt. Das kann man ja gar nicht vergleichen mit uns. Aber die katholische Kirche, die diese Forderung erhebt, ist nicht nur Deutschland, ist nicht nur Europa, gibt auch andere Teile in der Welt, wo klar ist, dass diese Forderung da ist. Und sie ist eigentlich auch nur zeitgemäß.

Malu Dreyer auf der DOMRADIO.DE-Bühne beim Katholikentag in Stutgartt 2022 (DR)
Malu Dreyer auf der DOMRADIO.DE-Bühne beim Katholikentag in Stutgartt 2022 / ( DR )

DOMRADIO.DE: Was fordern Sie von der Kirche beim Thema Missbrauchsaufarbeitung?

Dreyer: Das Leid der Kinder, der jungen Menschen, was angetan worden ist innerhalb des Systems Kirche, das ist einfach unbeschreiblich. Und das kann einem eigentlich auch immer nur wieder betroffen machen. Wer die MHG-Studie gelesen hat, der kann es eigentlich nicht fassen, weil sich Teile der Kirche so weit entfernt haben vom Menschsein, von ihrem eigenen Auftrag. Und deshalb ist es total wichtig, dass die Aufarbeitungskommissionen arbeiten. Bei mir im Bundesland haben das die Kirchen überall auch eingerichtet, die arbeiten auch intensiv daran. Das brauchen wir aber überall. Betroffene müssen einfach zu Beteiligten werden in diesen Prozessen.

Malu Dreyer

"Kirche ist nicht dafür da, die eigene Institution zu schützen, sondern wir, Kirche, wir sind für die Menschen da."

Und es muss auch eine radikale Veränderung geben. Da sind wir auch ganz schnell wieder beim Synodalen Weg. Also wir sind natürlich bei der Anerkennung des Leids, wir sind auch bei der Entschädigung, wir sind bei Transparenz, bei Klarheit. Aber wir sind auch an der Stelle, dass wir Strukturen verändern müssen, die tatsächlich dann klar machen, Kirche ist nicht dafür da, die eigene Institution zu schützen, sondern wir, Kirche, wir sind da für die Menschen. Das ist unser Auftrag, das muss im Vordergrund stehen und das hat mit Menschenliebe und Menschenfreundlichkeit zu tun. Also der Aufarbeitungsprozess muss schneller gehen, konsequenter, transparenter. In vielen Diözesen wird das schon gehandhabt. Die sind auch Vorbild, finde ich. Aber wir brauchen das natürlich überall.

Und ich will noch einen Satz sagen, der auch nicht falsch klingen sollte: Das Thema sexueller Missbrauch, das Thema MeToo, das ist auch ein gesellschaftspolitisches Thema. Wir gucken sehr stark auf die Kirche. Das ist auch richtig so, ich bin Mitglied dieser Kirche und ich möchte, dass Kirche das aufklärt und verändert. Es geht nicht anders. Wir haben eine besondere Pflicht und ein besonderes Verhältnis zu den Menschen als Christen und Christinnen.

Aber auch in der Gesellschaft gibt es wirklich die Notwendigkeit, hinzugucken. Jede dritte Frau ist betroffen von Gewalt in unserer Gesellschaft. Jeder zweite Mensch am Arbeitsplatz ist betroffen von Belästigung, die allermeisten darunter auch Frauen. Und deshalb ist es für mich auch als Politikerin natürlich ein wichtiger Auftrag, auch gesellschaftspolitisch zu agieren, damit dieses Thema wirklich mal eine andere Herangehensweise erfährt und wir in der Gesellschaft friedlich und gleichberechtigt miteinander zusammenleben.

DOMRADIO.DE: Sie haben vor einem Jahr die Flutkatastrophe in Rheinland-Pfalz erlebt, da haben auch Menschen ihre Zeit geteilt, ihre Kräfte geteilt, um anderen zu helfen. Haben Sie das dann auch als gelebtes Christentum wahrgenommen?

Dreyer: Absolut. Also das Leid nach der Naturkatastrophe im Ahrtal, man kann sich das eigentlich nicht vorstellen. Das hat unser Land wirklich bis ins Mark getroffen. In dieser Region gibt es wirklich ein Vorher und ein Nachher. Das hat unser Land auch verändert. So soviel Zerstörung. 135 Menschen, die verstorben sind in dieser Flut. Ganz, ganz viele Menschen, die traumatisch wirklich betroffen sind, weil sie Angehörige, Freunde verloren haben, weil sie einfach die Flutnacht miterlebt haben.

Und ich habe da Kirche total aktiv erlebt. Natürlich die Notfallseelsorge, die einfach super ist. Ich kann es nicht anders sagen, die waren eigentlich aus ganz Deutschland da und es war so hilfreich, weil wirklich fast jeder Mensch da eine Ansprache gebraucht hat in einem völlig zerstörten Landstrich. Keine Straßen, keine Wege, nichts war mehr zugänglich. Aber die Notfallseelsorge war da. Und auch später: Caritas hat beispielsweise mobile Teams gehabt zum Beraten.

Und die Kirche war selber betroffen. Teilweise war ja auch Kirche und Einrichtungen der Kirche zerstört. Das war wirklich fühlbare Nächstenliebe, die im Alltag angekommen ist, so wie wir uns eigentlich auch Mitmenschlichkeit in der Kirche vorstellen. Ich glaube, dass viele Menschen im Ahrtal wirklich Kirche auch noch mal neu erlebt haben, einfach weil sie so präsent da war und so geholfen hat. Also vielen Dank auch an die ganzen Helferinnen der Kirche, das ist wirklich toll. Wir brauchen auch noch.

Das Interview führte Stephan Baur.

Quelle:
DR