Auch vier Jahre nach dem Unglück "schmerzt das Erinnern sehr", sagte Oberbürgermeister Sören Link (SPD). Das Mahnmal, nicht weit vom Unglücksort entfernt, sei "ein würdiger Ort des Erinnerns". Am 24. Juli 2010 waren bei der Loveparade in Duisburg 21 Menschen bei einer Massenpanik ums Leben gekommen, über 500 wurden verletzt
Der Ombudsmann der Stadt für die Opfer, der evangelische Pfarrer Jürgen Widera, äußerte sich kritisch über die juristische Aufarbeitung. Viele Menschen könnten "nicht verstehen, dass Verantwortliche, die Schuld auf sich geladen haben, in der Anklage nicht vorkommen", sagte Widera. Im Februar hatte die Staatsanwaltschaft Anklage gegen vier Mitarbeiter des Veranstalters Lopavent sowie sechs Bedienstete der Stadt Duisburg erhoben. Ihnen werden fahrlässige Tötung, fahrlässige Körperverletzung sowie fahrlässige Körperverletzung im Amt vorgeworfen. Inzwischen gibt es erste bei Gericht eingegangene Zivilklagen von Opfern, die sich gegen den Veranstalter der Loveparade, die Stadt Duisburg sowie das Land Nordrhein-Westfalen als obersten Dienstherrn der Polizei richten.
Der Duisburger Pfarrer Bernhard Lücking und seine Gemeinde der St. Josephskirche haben die Ereignisse vor vier Jahren aus nächster Nähe miterlebt.
domradio.de: Welche Erinnerung haben Sie an den Tag der Katastrophe?
Pfarrer Lücking: Eine ganz schreckliche Erinnerung. Da sind ganz viele Bilder, die da vor meinen Augen auftauchen. Da ist dieser Bericht im Fernsehen über die Love Parade, der auf einmal unterbrochen wurde durch die Nachricht von der Katastrophe und den ersten Todesopfern. Man sah das auf den Bildern. Gleichzeitig rief mich meine Schwester an und sagte, dass mein Neffe bei der Love Parade sei. Wir wussten nicht, wie es ihm geht. Wir haben erst spät abends dann erfahren, dass er wohlbehalten da rausgekommen war. Aber diese Stunden des Bangens und Wartens. Vor meiner Haustüre an der Josephskirche feierten auch viele Leute, die es gar nicht mehr bis zum Tunnel geschafft hatten. Da wurde auch trotz der Katastrophe weitergefeiert, weil diese jungen Menschen offenbar gar nichts mitbekommen hatten von den Toten. Also ganz unterschiedliche Bilder. Bald kam dann der Anruf, wie wir als Kirche mit der Katastrophe umgehen können, die Notfallseelsorge musste organsiert werden. Es war eine ganz dichte Erfahrung, die ich da gemacht habe. Keine gute, eine schreckliche, die sich dann in der folgenden Woche fortsetzte. Ich war dann auch im Tunnel bei den trauernden Menschen. Das sind alles Bilder, dir mir nicht aus dem Kopf gehen.
domradio.de: Welche Rolle hat die Kirche gespielt? Konnten Sie helfen?
Pfarrer Lücking: Es ging ja erst einmal um die Organisation der Notfallseelsorge. Natürlich haben viele Gemeindemitglieder, die auch auf der Love Parade waren, mich sofort angesprochen. Ich habe viele Gespräche geführt. Es waren Tage, die einen zutiefst in der Seele betroffen gemacht haben. Wir haben dann die Kirchen geöffnet, damit die Leute kommen können. Es kamen aber nur recht wenige, die meisten gingen immer wieder zum Tunnel.
domradio.de: Am Unglücksort findet heute eine Gedenkfeier statt.
Pfarrer Lücking: Dort werden dann Reden gehalten. Einen Gottesdienst wird es nicht mehr geben, weil er leider schon im letzten Jahr von den Menschen nicht mehr angenommen wurde. Die Gedenkfeier mit dem Oberbürgermeister und dem evangelischen Pfarrer, der als Ombudsmann tätig ist, wird einen würdigen Rahmen bekommen, für die Menschen, die dort trauern wollen. Das ist eigentlich auch der Ort der Trauer und nicht so sehr die Gottesdienste, die wir hier gefeirt haben. Für die Angehörigen wird allerdings immer am Abend vor dem Jahrestag in der evangelischen Salvatorkirche ein Gottesdienst gefeiert in der evangelischen Salvatorkirche.
Das Interview führte Verena Tröster.