Das "Bündnis für nachhaltige Textilien" ist Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) wichtig, das betont er oft. Es geht um Verbesserungen der Arbeitsbedingungen in Textilunternehmen - in Deutschland und weltweit. Doch aktuell schrumpft die Mitgliederzahl. Knackpunkt ist die im November festgeschriebene Abgabe individueller und verbindlicher Ziele bei Umwelt- und Sozialstandards. Rund drei Dutzend haben keine Pläne hierzu abgegeben - weder bis zur ersten Frist Ende Januar noch bis zur Verlängerung Ende März.
Bei den Zielvorgaben der einzelnen Mitglieder geht es etwa um den Einsatz von Chemikalien, um Arbeitszeiten, den Schutz vor Kinderarbeit oder die Förderung existenzsichernder Löhne - auch in Zulieferbetrieben in Bangladesch, Indien, Pakistan oder Äthiopien. Je nachdem, ob es sich um eine Initiative, Ministerium, Gewerkschaft oder Unternehmen handelt, müssen die Mitglieder unterschiedlich umfassend festlegen, wie sie die Standards der Produktion weiter verbessern wollen.
H&M, Otto, Aldi oder Primark auf der Liste
Mitte November wurden 188 Bündnismitglieder aufgeführt. Mitte April sind es 150. All jene, die ihren Umsetzungsplan fristgerecht abgegeben hätten, seien weiter dabei, sagt die Bündnissprecherin Andrea Burkhardt der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Zudem gebe es einige neue Mitglieder. Diese müssten erst im kommenden Jahr ihre eigenen Ziele vorlegen.
Die großen Namen wie H&M, Otto, Aldi oder Primark stehen noch auf der Liste. Zusammen decken sie den Angaben zufolge die Hälfte des Umsatzes der deutschen Textilwirtschaft ab - fünf Prozent weniger als im November. Alle vorgelegten Pläne würden nun geprüft, ob sie plausibel und gültig seien. "Wir hoffen, das die Ergebnisse bis Juni vorliegen", sagt Burkhardt.
Fehlendem "Bündnisgeist"?
Danach sollen die Pläne jährlich angepasst und neu vorgelegt werden - mit externer Evaluation. Die Umsetzung sei ein Lernprozess, und es werde sicher Nachjustierungen geben, so Burkhardt. Auch offene Fragen, etwa zum Umfang sowie Art und Weise der Veröffentlichung der Zielvorgaben, müssten noch geklärt werden.
Das Textilunternehmen Ernsting's family ist nicht mehr dabei. Es begründete den Ausstieg auf Anfrage mit fehlendem "Bündnisgeist" und mangelnder Klarheit über die Bewertung sowie vor allem die geplante Veröffentlichung der Zielvorgaben. Das seien wettbewerbsrelevante Informationen, und hier müsse klar sein, wie sich alle Mitglieder dazu verhielten.
Ausarbeitung der Ziele viel Arbeit
Der kleine Öko-Spielzeughersteller Zwergengrün hätte nach eigenen Angaben gerne Ziele benannt. Aber leistbar sei das angesichts der Vielzahl an Indikatoren nicht gewesen, sagt Inhaberin Gabriela Wahl. "Das überfährt uns." Sie hätte sich mehr Hilfe gewünscht, damit auch die kleinen eine Chance hätten.
Die Christliche Initiative Romero bestätigt, dass die Ausarbeitung der Ziele viel Arbeit gewesen sei. Es wäre wünschenswert, wenn das für Nichtregierungsorganisationen im kommenden Jahr vereinfacht würde, sagt der zuständige Referent Maik Pflaum. "Es wäre sehr schade, wenn die kleinen Unternehmen aufgrund des Aufwands für die Pläne ausscheiden. Diese kleinen Mitglieder haben oft sehr innovative Lösungen."
Austritte als Alarmsignal?
Pflaum hat die Austritte registriert. Für ihn wäre es ein Alarmsignal, wenn die Mitglieder der Kampagne für Saubere Kleidung sich verabschiedeten. Zugleich muss sich aus seiner Sicht nun herauskristallisieren, "wohin das Bündnis sich bewegt und ob sich die Standards in den Unternehmen wahrhaftig und transparent nachvollziehbar verbessern". Es könne nicht sein, dass Zustände einfach abgesegnet würden. "Es darf keine Alibi-Veranstaltung werden."
Wünschenswert wäre eine Veröffentlichung der Ziele und Überprüfung sicher bei dem bangladeschischen Partner - der DBL Group. 18 Textilproduzenten stehen hinter dem Namen und verkaufen Ware an Esprit, H&M, Garry Weber oder Bonita. Gemeinsam mit der Gruppe und H&M hat Müller jüngst ein Textilausbildungszentrum in Äthiopien eröffnet und mit 100 Millionen Euro unterstützt. Da wurde die DBL Group als Bündnismitglied vorgestellt.
Laut Burkhardt war die DBL Group nie ordentliches Mitglied, sondern dem Bündnis "partnerschaftlich verbunden". Daher sei der Konzern auch nicht verpflichtet, Ziele zu formulieren.