Ebola bleibt ein Risiko

Es ist noch nicht vorbei

Ärzte und Pfleger in gelben Schutzanzügen: Zu Jahresbeginn war die Ebola-Epidemie allgegenwärtig. Nun ist das Interesse stark gesunken, dabei gibt es weiter Neuinfektionen, und Langzeitfolgen sind schwer absehbar.

Autor/in:
Anna Mertens
Zeichnungen in Liberia warnen vor Ebola-Ansteckung / © Ahmed Jallanzo (dpa)
Zeichnungen in Liberia warnen vor Ebola-Ansteckung / © Ahmed Jallanzo ( dpa )

Sierra Leone hat es geschafft. Das westafrikanische Land erhielt Anfang November die Nachricht der Weltgesundheitsorganisation (WHO): "Ebola-frei". Damit ist im Land 42 Tage lang - die doppelte Ansteckungszeit - keine Neuinfektion aufgetreten. Ein großer Erfolg und keine Garantie. In Liberia gab es nach mehr als zwei Monaten "Ebola-frei" Ende November drei neue Fälle. Ein 15-Jähriger starb.

Und auch in Guinea treten weiter Infektionen auf. Für Hilfswerke steht außer Frage: So lange es einen Infizierten gibt, ist die Epidemie, der seit dem ersten Todesfall am 6. Dezember 2013 mehr als 11.300 Menschen zum Opfer gefallen sind, nicht vorbei.

Berichterstattung über Ebola nachgelassen

Waren zu Jahresbeginn viele Augen auf die drei Länder gerichtet, haben sich mittlerweile viele Blicke abgewandt. Das Virus, an dem sich rund 28.600 Menschen infiziert haben, hat angesichts von Flüchtlingswellen und islamistischem Terror scheinbar an Schrecken verloren. Dabei gibt es weiterhin kein Medikament; die klinischen Studien für den Impfstoff laufen noch. Berichten zufolge soll die Impfung für Kinder und Schwangere nicht geeignet sein.

Hilfswerke sind weiter im Einsatz. Das Deutsche Rote Kreuz (DRK) betreibt Aufklärungsarbeit. Bis 2017 wollen die Mitarbeiter vor allem in ländlichen Gebieten Liberias über Hygieneregeln informieren und beim Aufbau sanitärer Anlagen helfen.

Angst vor einer Masern-Epidemie

Der Leiter des Kompetenzzentrums Humanitäre Hilfe der Fachhochschule Münster, Joachim Gardemann, warnt vor den desolaten Gesundheitssystemen in der Region. Der Mediziner, der zur Hochphase der Epidemie das DRK-Ebola-Zentrum im liberianischen Monrovia geleitet hat, berichtet von der Angst vor einer Masern-Epidemie. "Unzählige Kinder und Säuglinge wurden über Monate nicht geimpft", erzählt Gardemann. Eine solche Epidemie wäre ebenso gefährlich wie Ebola und leicht vermeidbar. Doch es fehle an Mitteln - das DRK erhält kaum mehr Ebola-Spenden - sowie internationaler Hilfe und Personal.

Das berichtet auch der Tropenmediziner am Missionsärztlichen Institut in Würzburg, Piet Reijer. Er ist im Auftrag des Hilfswerks Misereor Mitte November erneut für einige Wochen in die Region gereist, um in den drei Diözesen die 18 kirchlichen Gesundheitseinrichtungen zu begutachten. "Die Personalsituation ist noch schlechter als vor der Epidemie", sagt Reijer.

Mehr Menschen an anderen Infektionskrankheiten als Ebola gestorben

Bereits damals gab es pro 1.000 Einwohner nur etwa 0,6 Ärzte, Hebammen oder Krankenpfleger; der WHO-Zielwert seien mindestens 2,3 auf 1.000. Durch die vielen Ebola-Opfer unter Ärzten und Pflegern sei die Zahl weiter stark gesunken. "Wenn man einen solchen Mangel an Personal hat, dauert es Jahre, bis das wieder aufgefüllt ist." Europäer etwa hätten wenig Interesse an einem längeren Aufenthalt in der Region. Reijer vermutet, dass im vergangenen Jahr mehr Menschen an Malaria, Tuberkulose und ähnlichen Infektionskrankheiten gestorben sind als an Ebola. Auch die Lepra-Überwachung in Liberia sei eingestellt worden. Wichtig sei es daher, die drei Ebola-Länder besser auf Infektionsausbrüche vorzubereiten. Die Reaktion auf die Ebola-Epidemie sei bekanntlich viel zu spät und zu schleppend gewesen.

Doch die vorbeugenden Maßnahmen sind teuer. Dabei zeigt der neue Ebola-Fall in Liberia, dass das Gesundheitssystem weiter stark lückenhaft ist. Der erkrankte Junge wurde zunächst ohne Schutzanzug behandelt - 153 Menschen mussten in Quarantäne genommen werden.

Traumatisierungen

Ein schweres Schicksal müssen die rund 16.500 Ebola-Überlebenden ertragen. Traumatisiert vom Erlebten und den vielen Opfern um sie herum, werden sie von ihren Mitmenschen stigmatisiert und diskriminiert. "Die Angst vor einer Ansteckung, vor allem auf dem Land, ist immer noch sehr groß", erzählt Reijer. Zudem besteht wenig Kenntnis über Spätfolgen. DRK-Experte und Mediziner Gardemann berichtet von schweren Entzündungen im Auge bis zur Erblindung, von Müdigkeit und Erschöpfung oder vom Hörverlust und Gelenkschmerzen. "Es ist schwierig, die psychosomatischen Folgen von den neurologischen Problemen zu trennen", erklärt Gardemann. Es stehe aber außer Frage, dass das Immunsystem der Betroffenen verrückt spiele. "Viele der Überlebenden sind dauerhaft arbeitsunfähig."


Quelle:
KNA