Eheberaterin Ruster: Synode soll zweite Ehen neu bewerten

"Wir leben in einer ehefeindlichen Zeit"

Viele wiederverheiratet Geschiedene erleben den Ausschluss von den Sakramenten als Bestrafung für ihr Scheitern, berichtet Eheberaterin Heidi Ruster. Sie gibt Einblick in ihren Arbeitsalltag und zeigt Lösungen.

Das Modell Ehe (dpa)
Das Modell Ehe / ( dpa )

domradio.de: Wiederverheiratete Geschiedene - das Thema fällt bei der Bischofssynode offiziell unter die „pastoral schwierigen Situationen". Wo genau sind die Knackpunkte?

Heidi Ruster (Leiterin der Bonner Beratungsstelle für Ehe-, Familien- und Lebensfragen): Wir wissen ja alle, dass das Projekt lebenslange Ehe in der Entwicklung der Gesellschaft zunehmend in Frage gestellt wird. Wir leben in einer ehefeindlichen Zeit und da gibt es einfach geringere Planungshorizonte für das Leben. Die Flexibilisierung, die Mobilisierung der Arbeitswelt trägt einen großen Schuldanteil daran, dass Eheleute es heute sehr schwer haben, dass ihnen der Wind ins Gesicht steht und das macht natürlich vor uns katholische Christen auch nicht Halt. In unseren Gemeinden haben wir überall genauso wie in der Gesellschaft dieses Phänomen, dass eine sakramentale Ehe scheitert und die Menschen sich noch einmal neu verbinden und eine zweite Ehe eingehen. Da setzt jetzt dieser Knackpunkt ein, dass man nämlich dann von den Sakramenten ausgeschlossen ist. Das wird heute gar nicht mehr verstanden. Die Leute erleben das als Bestrafung und als Ausschluss. Diese Exklusion ist der pastorale Knackpunkt - wie gehen wir damit um?

Wir haben ein großes Problem in den Gemeinden, das Scheitern einem richtigen Ort zuzuweisen, dass darüber geredet werden darf, dass das vorkommen darf, dass die Menschen mit ihrem Scheitern auch ihre Erfahrungen im Leid, aber auch im Neubeginn, im Verkraften einbringen dürfen, das ist ganz schwierig. Das haben wir unter den Tisch fallen lassen.

Wir sagen zwar, sie dürfen bei allem mitmachen, aber konkret bedeutet das Ausschluss von allen Sakramenten. In der Wirkungsgeschichte hat es dazu geführt, dass wir sehr viele katholische Christen, auch engagierte verloren haben. Sie fühlen sich in unseren Kirchen nicht mehr wohl und haben dann längst den Rückzug angetreten.

domradio.de: Sie haben ein Buch über die Ehe geschrieben "…bis dass der Tod euch scheidet". Gemeinsam mit Ihrem Mann, der Theologieprofessor ist, schlagen Sie darin eine Lösung vor für den kirchlichen Umgang mit Menschen, die nach einer Scheidung wieder heiraten. Was wäre denn Ihr Vorschlag?

Ruster: Wir haben vorgeschlagen, dass es in der Kirche neben den sakramental geschlossenen Ehen auch gültige andere Ehen geben kann. Dass Beziehungen, die eben vielfältiger Natur sind, nicht nur das Sakrament der Ehe, voll akzeptiert sind und damit auch nicht zum Ausschluss von den Sakramenten führen.

Das zweite wichtige ist: Das Scheitern muss einen Ort in der kirchlichen Praxis haben. Dazu gibt es auch Modelle, wir müssen uns anschauen, wie bildet sich ist die Beziehungswirklichkeit ab in ihrer Vielfalt und sie annehmen und wahrnehmen und auch anders beurteilen. Diese Erfahrungen, die damit einhergehen, die zum Beispiel in einer Patchwork-Familie gemacht werden, müssen einfach bei uns Niederschlag finden.

domradio.de: Dem Gegenüber steht im Moment das Sakrament der Ehe und auch die Unauflöslichkeit der Ehe. Was ist denn Ihre Einschätzung, wie sich die Diskussion rund um das Thema wiederverheiratete Geschiedene bei der Familiensynode entwickeln werden?

Ruster: Ich glaube schon, dass es auf jeden Fall eine Veränderung geben wird. Ein so prominentes Gremium in Rom, das wird nicht einfach den Status quo manifestieren, sondern es wird sich wirklich Gedanken machen. Davon bin ich überzeugt, dass sich in dieser Richtung etwas löst. Das heißt also, dass es tatsächlich zu einer neuen Bewertung von Seiten der Kirche kommt, was eben diese zweiten Ehen angeht und auch überhaupt die Vielfalt der heutigen Beziehungswirklichkeiten, dass man nicht mehr festhält an diesem alten starren Ehemodell.

Das heißt aber auch, dass das Sakrament der Ehe vielleicht wieder einen neuen Glanz erfährt. In unserem Buch halten wir unbedingt an dem Sakrament fest, aber wir sagen klar. Es muss neu erklärt werden, es muss neu vermittelt werden, dass es tatsächlich eine ganz große Hilfe für die Menschen bedeutet, die in schwierigen Lebensverhältnissen gerade sind. Zum Beispiel, dass Unauflöslichkeit nicht einfach nur eine Forderung ist, sondern eine Wirklichkeit und das zu erleben ist Anliegen in unserem Buch.

Die meisten Menschen, die heute ein Sakrament der Ehe eingehen, wissen nicht was sie tun. Das ist auch eine These von uns. Sie wollen ein schönes Fest und den Segen, aber was da so richtig mit gemeint ist, dass es ein Abbild ist dieser verlässlichen Liebe Christi zu seiner Kirche, die durch alle Krisen trägt und die auch nicht jeden Tag eine Liebe einfordert, sondern das wirklich diese Geduld und die Treue, Glaube und Hoffnung da eine große Rolle spielt und dazu können gerade die Gemeinden etwas beitragen. Also die Ehe herausholen aus ihrem privaten Rückzug, sondern sie wieder öffentlich machen. Auch die ganzen Anliegen, das Spektrum, alles das, was sich an menschlichen Erfahrungen in unseren Ehen niederschlägt, auch wieder sichtbar machen und auch zum Zentrum unserer Gemeinschaften machen.

Das Interview führte Verena Tröster


Quelle:
DR