Ehemaliger Jugendseelsorger: Wie Kirche zu ihren Ministrantinnen fand

"Wir dürfen ja nicht, wir sind doch Mädchen!"

Seit nun 25 Jahren sind weibliche Messdiener zugelassen. Walter Böcker war viele Jahre in der Jugendseelsorge in Münster und erzählt, wie sich die Mädchen schon früher unter die Ministranten schlichen und wie sich ein Umdenken entwickelte.

Junge Ministrantin / © Harald Oppitz (KNA)
Junge Ministrantin / © Harald Oppitz ( KNA )

domradio.de: Sie waren in den 1960er und 1970er Jahre in der Jugendseelsorge tätig. War es den Mädchen wichtig, auch am Altar dienen zu dürfen?

Walter Böcker (Emeritierter Domkapitular in Münster und ehemaliger Jugendseelsorger): Natürlich, die Mädchen wollten das gern und auch in den Gemeinden wurde der Wunsch immer stärker, dass auch Mädchen am Altar dienen dürfen.

domradio.de: Wie streng hatten sich die Gemeinden und Diözesen in Deutschland an das Ministrantinnen-Verbot gehalten?

Böcker: Ich habe da ein ganz besonderes Erlebnis. Ich war Ende der 1970er, Anfang der 1980er Jahre, auf Diözesanebene Bundesjugendseelsorger und da machten wir eine Ministrantenwallfahrt mit dem Sonderzug nach Rom. Unter den Ministranten waren mindestens ein Drittel Mädchen. Das war schon die Zeit, als Jungen auch längere Haare trugen. In Ministrantenkleidung bekleidet waren Jungen und Mädchen teils gar nicht zu unterscheiden, sodass der Papst gar nicht gemerkt hat, dass ein Drittel Mädchen waren.

domradio.de: Sie lachen. Das war bestimmt ganz lustig, oder?

Böcker: Das war ganz lustig. Ein paar Jahre später zum Beispiel hatte unser Weihbischof hier in Münster einen festlichen Gottesdienst und bedankte sich anschließend bei den Messdienern und sagte: "Das habt ihr wirklich gut gemacht, vielen Dank. Ihr wollt doch sicher auch mal Priester werden?" Dann antworteten die meisten: "Ja, das möchten wir, aber wir dürfen ja nicht. Wir sind doch Mädchen!"

domradio.de: Wie war denn die Haltung des früheren Bischofs Lettmann?

Böcker: Er war – sagen wir mal –  progressiver als manche Eltern. Als Münsterländer sagte er dann: "Ich verstehe gar nicht, wenn Frauen zum Putzen zum Altar gehen dürfen, warum dürfen Mädchen dann nicht an den Altar kommen, um da Wasser und Wein anzureichen?" Das heißt, er war ganz dafür, dass Mädchen eingesetzt werden. Probleme hatten wir mit etlichen Eltern, die das nicht gerne sahen. Wir haben auch Fälle gehabt, wo Eltern ihren Jungen von den Messdienern abgemeldet haben, als auch Mädchen zugelassen wurden.

domradio.de: Wie haben denn die Eltern da argumentiert?

Böcker: Einmal wurde mit der Tradition argumentiert. Es hatte aber auch oft den Grund, dass Eltern sagten: "Wenn Mädchen am Altar stehen, dann können die Jungen und die Männer gar nicht mehr richtig andächtig sein, weil sie die schönen Mädchen sehen." Solche komischen Argumente gab es da.

domradio.de: Dann wurde das, was Sie in Münster schon praktiziert hatten, erlaubt. Was haben Sie dann gedacht?

Böcker: Das war eine Bestätigung dessen, was wir immer für richtig gehalten haben. So wie ja vieles auch im Konzil Realität wurde, was in den Gemeinden schon gewünscht und gelebt wurde.

Das Gespräch führte Uta Vorbrodt.


Quelle:
DR