domradio.de: Kardinal Höffner stammt aus dem Westerwald und ist auf einem Bauernhof aufgewachsen. Wie schafft man es aus diesen ländlichen Verhältnissen, einer der führenden Akademiker in Deutschland mit vier Doktortiteln zu werden?
Prälat Dr. Norbert Feldhoff (Emeritierter Generalvikar des Erzbistums Köln, Dompropst, Erzbischöflicher Kaplan und Geheimsekretär von Kardinal Höffner): Für seinen Charakter ist schon entscheidend gewesen, dass er vom Bauernhof kam. Man hat sehr früh erkannt, dass er ein wissbegieriger, intelligenter Junge war, der sich gern schon als Kind zurückgezogen hat und Bücher las. Er hat dann schließlich in einem Internat in Trier Abitur gemacht. Die Förderung ging damals sehr stark vom Pfarrer aus, weil man erkannte, dass er eine außergewöhnliche Begabung hatte. Gymnasien in der Nähe gab es damals ja gar nicht. So kam Höffner nach Trier auf dasselbe Gymnasium, auf dem auch Karl Marx Abitur gemacht hat.
domradio.de: Kardinal Höffner ging dann nach dem Abitur auch zum Studium nach Rom und wurde Bischof in Münster bevor er als Erzbischof nach Köln kam. Im Jahr 1969 wurde Höffner Nachfolger von Kardinal Frings und Sie bald darauf sein "Erzbischöflicher Kaplan und Geheimsekretär". Was genau verbirgt sich hinter diesem Begriff?
Feldhoff: Das ist ein historischer Begriff. Wenn man das Wort "Sekretär" ins Deutsche übersetzt, dann heißt es schon "Geheimschreiber". Im Grunde ist "Geheimsekretär" also ein alberner Begriff, den man mit "Geheim-Geheimschreiber" übersetzen müsste. Faktisch wird der Begriff kaum noch verwendet. In der Urkunde stand das noch so drin. Heute würde man von einem persönlichen Referenten sprechen.
domradio.de: Wie haben Sie Kardinal Höffner denn in der Zusammenarbeit erlebt?
Feldhoff: Er war unheimlich fleißig und außerordentlich gütig. Ich habe es ganz selten erlebt, dass er aus der Ruhe kam. An eine Gegebenheit erinnere ich mich aber doch. Als wir auf einer Reise in Japan waren, war sein Handgepäck auf einmal nicht da. Da ist er tatsächlich einmal nervös geworden. Aber das waren ganz seltene Fälle.
domradio.de: Was waren alltägliche Fälle?
Feldhoff: Sonst war er immer sehr ruhig, gefasst und präzise in der Arbeit. Da gab es genaue Zeitabläufe. Ich nahm als Sekretär neben dem Schreibtisch stehend die Aufträge für die nächsten Stunden entgegen. Andere Sachen lagen in einer Schale. Die musste ich herausnehmen und wusste, was zu tun war.
domradio.de: Gab es auch Dinge, die sie nicht so mochten?
Feldhoff: Auf der anderen Seite ärgerte mich, dass es ganz viele Terminwünsche in seine Richtung gab und ich aber keine Antwort von ihm erhielt, wann ich welche Termine vereinbaren sollte. Ich durfte sie nicht alleine festmachen. Da bin ich einmal zu ihm und seinen Fahrer ins Auto gestiegen und habe die Akten und den Terminkalender mitgenommen. Da konnte er mir nicht ausweichen. Er hat es mir aber nicht übel genommen.
domradio.de: Hat er Sie auch hin und wieder um Ihre Meinung zu bestimmten Dingen gebeten oder haben Sie ihm auch mal widersprochen?
Feldhoff: Ich kann mich an keinen Widerspruch erinnern. Die Meinung hat er schon in bestimmten Dingen abgefragt.
domradio.de: Zum Beispiel?
Feldhoff: Es gab damals die Frage, ob Mädchen Messdiener sein dürfen oder die Frage der Handkommunion. Bei der Frage von Mädchen als Messdiener habe ich ihm zu Bedenken gegeben, dass Thomas von Aquin gesagt habe, Gesetze sollten in sich schlüssig sein. Es kapiert doch kein Mädchen, wenn die Mutter vorbeten darf und die Kommunion austeilen darf, dass die Tochter keine Kännchen zum Altar bringen darf. Da ist die Ordnung der Kirche in sich brüchig. Das hat er durchaus auch eingesehen. So etwas konnte ich mit ihm schon besprechen.
Aber als Sekretär musste man auch viele Briefe schreiben. Sicherlich haben wir manches besprochen und er hat mich auch gefragt. Ich bin von der Veranlagung her Mathematiker und insofern ist Statistik für mich fast so etwas wie ein Hobby. So etwas liebte er sehr. Da konnte ich auch Recherchen für ihn machen. Das war schon eine interessante Zusammenarbeit.
domradio.de: 30 Jahre ist der Todestag von Kardinal Höffner nun bereits her. Wie behalten Sie ihn in Erinnerung?
Feldhoff: Kardinal Höffner war zweifellos neben meinen Eltern einer der wichtigsten Menschen in meinem Leben. Als ich Sekretär bei ihm wurde, hatte ich ihn einmal bei der Einführung gesehen. Er kannte mich vorher auch nicht. Andere hatten ihm vorgeschlagen, dass ich diesen Posten einnehmen sollte.
Dass er mich dann mit 35 Jahren zum Generalvikar gemacht hat, kam für mich völlig überraschend. Es ist nicht so, dass wir darüber wochen- oder monatelang gesprochen hätten. Ich habe ihm nach drei Wochen Bedenkzeit sehr deutlich gesagt, dass ich selber nicht den Mut hätte und das Amt nur auf sein Wort und Vertrauen hin übernehmen und wagen würde. Niemals hätte ich mich zu dem Zeitpunkt auf so eine Stelle beworben. Das wäre der absolute Wahnsinn gewesen. Dass das dann irgendwie gelungen ist, habe ich Kardinal Höffner zu verdanken. Er hat an mir Möglichkeiten erkannt, die ich selber nicht sah.
Das Interview führte Silvia Ochlast.