Ehrendoktorwürde für Joachim Gauck in Münster

Warnung vor "abnehmender Toleranz"

​Der frühere Bundespräsident Joachim Gauck (77) hat die Ehrendoktorwürde der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Uni Münster erhalten. Gelobt wurden Gaucks Wirken als Theologe, Bürgerrechtler und Staatsmann.

Joachim Gauck erhält Ehrendoktorwürde / © Werner Schüring (KNA)
Joachim Gauck erhält Ehrendoktorwürde / © Werner Schüring ( KNA )

Gauck werde für seine Lebensleistung in Kirche, Zivilgesellschaft, Politik und höchsten Staatsämtern geehrt, hieß es bei der Verleihung am Montag in Münster. In all seinen unterschiedlichen Funktionen habe Gauck stets den Gehalt des christlichen Glaubens mit dem Begriff der Freiheit zur Sprache gebracht.

In der Laudatio hob der Direktor des Instituts für Ethik und angrenzende Sozialwissenschaften, Arnulf von Scheliha, das Wirken Gaucks als Theologe, Bürgerrechtler und Staatsmann hervor. Er verkörpere auf perfekte Weise die Beziehungen zwischen Politik und Religion, die er im Amt als Bundespräsident immer wieder selbst thematisiert habe. "Die Analyse des Lebenswerkes von Joachim Gauck zeigt die vitale Prägekraft von Spiritualität und religiös inspirierter Moral", so Scheliha.

"Toleranz hat schweren Stand"

Gauck sagte, er sehe die Auszeichnung auch als Ehrung derer, "die an der Schnittstelle von Protestantismus und Politik agieren", in politischen Ämtern, aber auch auf allen Ebenen der Gesellschaft. Er erinnerte auch an den "unerschrockenen Bischof" Clemens August Graf von Galen, der als "Löwe von Münster" gegen das Euthanasieprogramm der Nationalsozialisten predigte und vergeblich "Toleranz und Achtung der Menschenwürde von einem totalitären Staat wie dem NS-Regime" eingefordert habe.

In seiner Festrede warnte Gauck vor abnehmender Toleranz weltweit. Fundamentalisten und Terroristen, Diktatoren und Autokraten reagierten derzeit gegenüber dem Fremden, politischen Gegnern und Andersgläubigen mit Verleumdung und Zensur, Berufsverboten und Verhaftungen, Anschlägen und anderer Gewalt. Selbst in demokratischen Gesellschaften habe die Toleranz zurzeit einen zunehmend schweren Stand. Als Beispiele nannte er das Erstarken rassistischer, nationalistischer, islamfeindlicher und antisemitischer Positionen.

Recht der Religionsfreiheit für alle

"Toleranz ist eine Tugend, die uns viel abverlangt", sagte Gauck. Sie erfordere "zu ertragen, was stört, und zu erdulden, was zu dulden schwer fällt". Sie sei aber nicht gleichzusetzen mit schlichtem Gewährenlassen und purer Gleichgültigkeit. Auch sei Toleranz nicht dasselbe wie Akzeptanz. "Eine offene Gesellschaft gibt allen dasselbe Recht, zum Beispiel auch das der Religionsfreiheit.

Der am 24. Januar 1940 in Rostock geborene Gauck war von 2012 bis März 2017 Bundespräsident. Der Protestant studierte von 1958 bis 1965 Theologie in Rostock. Von 1965 bis 1990 war er als Pastor in Mecklenburg tätig. 1989 wurde er Mitinitiator der kirchlichen und politischen Protestbewegung in Mecklenburg. Im selben Jahr wurde er für das Neue Forum Abgeordneter der ersten frei gewählten DDR-Volkskammer und leitete den Sonderausschuss zur Kontrolle der Auflösung des Ministeriums für Staatssicherheit. 1990 wurde er Bundesbeauftragter für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR. Diese Funktion hatte er bis zum Jahr 2000 inne.


Quelle:
KNA