Ehrenoberhaupt der Weltorthodoxie

Gefragter Gesprächspartner

Kaum ein Politiker versäumt ein Treffen mit dem griechisch-orthodoxen Patriarchen Bartholomäus I. Den Papst hat das Ehrenoberhaupt in diesem Jahr bereits zum dritten Mal getroffen.

Autor/in:
Rainer Clos
Patriarch Bartholomäus I.  (KNA)
Patriarch Bartholomäus I. / ( KNA )

Für Staats- und Regierungschefs wie für kirchliche Würdenträger ist Patriarch Bartholomäus I., Ehrenoberhaupt von 300 Millionen orthodoxen Christen weltweit, ein gefragter Gesprächspartner. Am Patriarchensitz in Istanbul feierte Papst Benedikt XVI. 2006 mit Bartholomäus einen Gottesdienst zum Fest des Apostels Andreas. Der Moskauer Patriarch Kyrill I. suchte den Patriarchen drei Jahre später bei seiner ersten Auslandsreise ebenfalls auf.

Im Kreis der orthodoxen Kirchenoberhäupter nimmt Bartholomäus den Rang eines Ersten unter Gleichen ein. Als geistliches Oberhaupt ist von ihm besonderes diplomatisches Geschick gefragt, wenn es um Zusammenhalt in der orthodoxen Konfessionsfamilie geht. Auf Initiative des Patriarchen haben die Vorbereitungen für die Einberufung eines panorthodoxen Konzils an Fahrt aufgenommen. Es soll 2016 in Istanbul stattfinden und wäre das erste orthodoxe Konzil seit dem Ökumenischen Konzil von Konstantinopel im Jahr 787.

Patriarch kritisiert nationalistische Strömungen

Nationalistische Strömungen in orthodoxen Kirchen, wie sie auch im Ukraine-Konflikt sichtbar werden, finden in dem Ökumenischen Patriarchen einen entschiedenen Kritiker. Das Konzept Nation könne nicht zum maßgeblichen Faktor für kirchliches Leben oder kirchliche Organisation werden, mahnte er im Frühjahr. In einer Botschaft an das ukrainische Volk erinnerte er an die "tiefen Narben und offenen Wunden" der Weltkriege des 20. Jahrhunderts und den Druck auf eine Nation, die Jahrzehnte Totalitarismus erleben musste.

Der 74-Jährige Bartholomäus, der auf der türkischen Insel Imbros geboren wurde, ist seit 1991 Ökumenischer Patriarch von Konstantinopel und damit der 270. Nachfolger des Apostels Andreas, auf den sich die Ostkirche gründet. Er studierte in Rom, München und Thessaloniki. 1970 wurde der promovierte Kirchenrechtler Archimandrit, zwei Jahre später Metropolit von Philadelphia und 1990 Metropolit von Chalcedon. Fast zwei Jahrzehnte war Bartholomäus enger Berater von Patriarch Dimitrios, dessen Nachfolger er wurde.

Für eine Annäherung

Kirchenpolitisch setzt sich der Patriarch, der den Titel "Erzbischof von Konstantinopel und Neu-Rom" trägt, für eine Annäherung der christlichen Kirchen ein. So nahm er 2013 an der Einführung von Papst Franziskus teil. Beim Türkeibesuch des Papstes, der am Sonntag endet, kommt es bereits zum dritten Treffen der beiden Kirchenoberhäupter in diesem Jahr. Im Mai erinnerten Franziskus und Bartholomäus in Jerusalem an das historische katholisch-orthodoxe Spitzentreffen ihrer Vorgänger vor 50 Jahren. Wenige Wochen später war Bartholomäus zum Gebetstreffen für Nahost mit Schimon Peres und Mahmud Abbas in den Vatikan eingeladen.

Doch trotz aller Fortschritte im katholisch-orthodoxen Dialog gibt es vor allem in der Frage nach der Vorrangstellung des Papstes wenig Bewegung. Bislang konnten sich beide Seiten nicht auf ein gemeinsames Verständnis der Rolle des katholischen Kirchenoberhaupts einigen. Der Vatikan versteht den Papstprimat auch im juristischen Sinne, während die Orthodoxen dem Bischof von Rom allenfalls eine Art Ehrenprimat einräumen wollen.

Treffen mit Protestanten

Bartholomäus' ökumenische Ausrichtung wird auch in Begegnungen mit anglikanischen und protestantischen Kirchenführern sichtbar. Im vergangenen Mai besuchte er die Bundesrepublik und traf neben den Kirchenrepräsentanten auch Spitzenvertreter des Staates. Sein beharrliches Eintreten für die Bewahrung der Schöpfung brachte Bartholomäus den Titel "Grüner Patriarch" ein.

Am wenigsten Anerkennung erfährt das Oberhaupt, dem formal 3,5 Millionen orthodoxe Christen in Nordostgriechenland, auf Kreta, einigen Ägäis-Inseln sowie in der griechischen Diaspora weltweit unterstehen, hingegen in der ganz überwiegend islamischen Türkei. Die Behörden sehen ihn lediglich als Oberhaupt der rund 3.000 griechisch-orthodoxen Christen in dem Land.

Priester-Ausbildung nicht möglich

Wie andere nichtmuslimische Minderheiten in der Türkei sieht sich auch das Patriarchat bedrängt. Seit 1971 etwa ist das orthodoxe Priesterseminar Chalki geschlossen. Alle Appelle an Ankara, die Ausbildungsstätte für den Theologennachwuchs wieder zu eröffnen, fanden bisher kaum Gehör. Immerhin akzeptieren die türkischen Behörden seit einiger Zeit den offiziellen Titel "Ökumenischer Patriarch".


Quelle:
epd