Ein Amazonasdorf wehrt sich gegen die Erdölindustrie

Rebellen des Dschungels

Seit Jahrzehnten verteidigen die Kichwa-Indianer in Sarayaku ihre Heimat erfolgreich gegen den ecuadorianischen Staat und die Begehrlichkeiten der Ölkonzerne. Doch die Gefahr ist keineswegs gebannt.

Autor/in:
Alexander Pitz
Dorfkapelle im Amazonasdorf Sarayaku / © Alexander Pitz (KNA)
Dorfkapelle im Amazonasdorf Sarayaku / © Alexander Pitz ( KNA )

Wer sich auf Reisen immer strikt an die Sicherheitshinweise des Auswärtigen Amtes hält, für den ist das amazonische Urwalddorf Sarayaku kein geeignetes Ziel. Moskitos und andere Blutsauger sind allgegenwärtig, Giftschlangen keine Seltenheit. Allein die mehrstündige Anfahrt per Boot über den Rio Bobonaza ist für Economy-Fluggäste ein Abenteuer. Ohne die Hilfe der Kichwa-Indianer, die ihre traditionellen Einbäume in jeder Flusskurve beherrschen, ginge es kaum voran. Mit langem Holzstab in den Händen und Taschenlampe im Mund meistert der Steuermann auch nach Einbruch der Dunkelheit die tückischsten Untiefen.

Symbol indigenen Widerstands

Die fehlende Anbindung ans Straßennetz verschafft den etwa 1.200 Dorfbewohnern einen Vorteil: Sie haben weitgehende Kontrolle darüber, wer ihr 135.000 Hektar großes Territorium besucht. Nicht zuletzt deshalb konnten sie sich im endlos grünen Meer des ecuadorianischen Regenwaldes einen selbstbestimmten Lebensstil mit Fischfang und bescheidener Landwirtschaft bewahren. Während Naturvölker in aller Welt von der Zivilisation überrollt werden, ist Sarayaku über die Grenzen Lateinamerikas hinaus zu einem Symbol indigenen Widerstands geworden.

Mit schlichter Urwald-Romantik hat das Leben im "Rebellendorf" allerdings wenig zu tun. Eingeborene mit Lendenschurz und Körperbemalung sucht man auf dem zentralen Platz unweit des Bootsanlegers vergeblich. Auf dem sandigen, von Holzhäusern umringten Plateau spazieren die Männer in Fußballtrikots namhafter europäischer Klubs entlang. Dank Satellitentechnik gibt es Internetzugang. Im Versammlungsgebäude erzählen die Mitglieder des Gemeinderates von ihrem jahrzehntelangen Kampf gegen die Begehrlichkeiten von Staat und Erdölindustrie. Sie haben früh verstanden, wie wichtig moderne Kommunikationsmittel sind, um ihre Interessen durchzusetzen.

Inzwischen ist das Dorf hervorragend vernetzt. "Wir versuchen trotzdem, unsere Kultur beizubehalten", sagt der 39-jährige Nelson Gualinga, Vizepräsident von Sarayaku. Auf einer Leinwand hinter ihm läuft eine Powerpoint-Präsentation über den "Plan de Vida" (Lebensplan) der indigenen Gemeinschaft. Die wichtigsten Punkte: Souveränität und eine gesunde Umwelt ohne Verschmutzung. Schon oft waren diese Werte in Gefahr. Und sie sind es nach wie vor.

Begehrtes Erdöl

Unter den Hütten Sarayakus befindet sich Erdöl. Zwar wurden den Kichwa-Indianern 1992 offiziell die Landrechte für das Gebiet zugesprochen. Dennoch gab der ecuadorianische Staat 1996 der argentinischen Ölfirma CGC die Konzession, dort tätig zu werden - weil die Landrechte nicht für die Bodenschätze unterhalb der Erde gelten. Es folgte ein jahrelanger Streit mit etlichen Scharmützeln.

CGC deponierte 1.450 Kilogramm Sprengstoff im Boden, um die Suche nach dem Öl voranzutreiben. Die Indianer waren aufgebracht. Es drohte eine Militarisierung der gesamten Region. 2012 fällte der Interamerikanische Menschengerichtshof in Costa Rica ein Urteil, das für Aufsehen sorgte. Er gab dem Kichwa-Volk Recht: Ecuador habe mehrere internationale Abkommen verletzt und die Rechte der Ureinwohner missachtet. Sarayaku wurden 1,4 Millionen US-Dollar Entschädigung zugesprochen.

Panamazonisches Kirchennetzwerk unterstützt Dorf

"Aber der Kampf geht weiter", versichert Vizepräsident Gualinga. Mehrere Auflagen des Gerichts seien nicht erfüllt, die Sprengstoffe nicht beseitigt worden. Und der Gemeinderat berichtet von neuen Bemühungen der "Petroleras", mit Hilfe dubioser staatlicher Konzessionen doch noch an das Öl heranzukommen. Am 2. Dezember wollen die Kichwa ihre Nöte bei einer erneuten gerichtlichen Anhörung in Costa Rica vortragen.

Der Katholik Gualinga kann dabei auf kirchlichen Beistand zählen. Als Teil des panamazonischen Kirchennetzwerks REPAM (Red Eclesial Panamazonica) unterstützt das Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat die Indigenen bei der Verteidigung ihrer Rechte. "Vor langer Zeit", erzählt Gualinga, hätten Dominikaner-Missionare ihren Glauben nach Sarayaku gebracht. Im Laufe der Jahre hätten die Einheimischen den Katholizismus angenommen. Zeugnis davon ist die Dorfkapelle, die im Herzen der Gemeinde steht. "Die Kirche", sagt Gualinga, "hat gelernt, unsere Kultur zu respektieren."

 

Quelle:
KNA