Bei Papst Franziskus kommt nicht irgendetwas auf den Tisch, sondern Tomaten, Käse und Birnen vom Vatikan-Bauernhof. Das kleine Gehöft, mit liebevoll bepflanztem Blumenbeet und mit Tiermosaiken geschmückten Hühnerhäusern, liegt wie eine Insel auf dem Gelände der sogenannten Päpstlichen Villen in Castel Gandolfo, etwa 25 Kilometer südlich von Rom. In diesem kleinen Paradies ist Alessandro Reali seit mehr als 20 Jahren für den Bereich "Gärten und Agrar" zuständig. Für ihn ein Privileg und eine Ehre. "Wir arbeiten hier traditionell, im Einklang mit Menschen, Natur und mit sehr guter Qualität - und das schon seit Papst Pius XI.", erklärt er stolz.
Der Bauernhof wurde 1930 vom damaligen Papst Pius XI. beim Sommersitz der Päpste errichtet, der aus 30 Hektar Gartenbereich und 25 Hektar landwirtschaftlichen Betrieb, inklusive Hof mit eigener Molkerei besteht. Um die Gärten und den Agrarbereich kümmern sich insgesamt 32 Mitarbeiter. Neben der Hühnerfarm, in der freilaufende Hennen täglich etwa 800 Eier legen, gibt es insgesamt 130 Rinder auf dem Hof, 30 davon sind Milchkühe. Es gibt auch ein Schwein, allerdings kein echtes - es steht neben einer kleinen Heiligenfigur, die fast unbemerkt auf einem blauen Regalbrett im überdachten Stall für die Kälber über die Tiere wacht. Es ist der Heilige Antonius der Große, Schutzpatron der Haustiere.
Im Stall ruhen einigen Kälber auf Stroh, andre kommen kurz neugierig nach vorne, zwischendurch geben sie ein Blöken von sich. Alles wirkt ruhig und friedlich - bis auf Alessandro, der sich in Rage geredet hat. Es geht um industrialisierte, rein profitorientierte Lebensmittelproduktion, um Massentierhaltung, Chemikalien und Medikamente im Essen. "Manche Lebensmittel sind pures Gift. -P-u-r-e-s Gift!", ereifert er sich. "Da gibt es Kinder, die sind plötzlich resistent gegen Antibiotika, obwohl sie noch nie vorher welche genommen haben. Und woher kommt das? Das war im Fleisch, weil die Tiere mit Antibiotika vollgepumpt wurden!"
Solche Medikamente würde Alessandro keinem einzigen der Tiere geben. Davon ist er persönlich überzeugt; aber er weiß auch, dass eine traditionelle, nicht profitorientierte Arbeitsweise heute selten ist und er sie seinem Arbeitgeber zu verdanken hat. Den Päpsten sei es mit dem Bauernhof nie um Geld gegangen. Deshalb sei auch kein Ausbau geplant. "Wir wollen gar nicht größer werden, denn dann würden wir uns Industrialisieren. Das würde unserem Geist widersprechen", erklärt der Vater von zwei Kindern, die mit ihm und seiner Frau Agnes auf dem Hof wohnen.
Natürliche Arbeitsweise
Auf einem der Felder steht eine Vogelscheuche - Zeichen der von Alessandro viel gerühmten traditionellen, natürlichen Arbeitsweise. Die darf allerdings nicht mit "Bio" verwechselt werden, denn ein entsprechendes EU-Zertifikat haben die Produkte des Hofes nicht. "Aber das ist ja auch nur ein Etikett", sagt Alessandro und versichert, Chemie komme nur in absoluten Ausnahmefällen in den Gärten zum Einsatz - bei eingeschleppten Schädlingen, denen anders nicht beizukommen sei. "Obst und Gemüse spritzen wir nicht - dann müssen wir eben die Hälfte aussortieren." Da der Hof zum vatikanischen Territorium zählt, müsste er sich auch gar nicht nach italienischen oder EU-Vorgaben richten.
Neben Gemüse- und Obstanbau werden auch Olivenhaine und Wein kultiviert - die drei Reihen Weinreben waren ein Geschenk an Papst Benedikt XVI., erzählt Alessandro. Warum? Weil Benedikt sich als "einfachen Arbeiter im Weinberg des Herrn" sah, wie er selbst direkt nach seiner Wahl zum Papst 2005 sagte. Geschenke für die Päpste gibt es noch mehr auf dem Hof. Zum Beispiel einige Esel: "Die weißen bekam Papst Benedikt, die grauen Papst Franziskus."
Die Milch von der "Fattoria Ville Pontificie" - dem Bauernhof der Päpstlichen Villen - ist das Herzstück der Produktion und das bekannteste Produkt des Papstbauernhofs. Sie wird direkt vor Ort abgefüllt; die Qualität wird täglich kontrolliert; auch italienische Behörden prüfen zusätzlich regelmäßig. Zu kaufen gibt es die Milch für Vatikanmitarbeiter und Angehörige im Vatikansupermarkt oder in einen kleinen Hofladen in Castel Gandolfo, der allerdings nur Einwohnern der Stadt offen steht. Die fettarme Variante ist für 1,45 Euro zu haben, Vollmilch für 1,55 Euro.
Eigentlich müsste die Papst-Bauernhofmilch fünf Euro pro Liter kosten, meint Alessandro. "Aber der Papst will, dass sich jeder diese Milch leisten kann." Auch unter Benedikt XVI. und seinen Vorgängern sei das so gewesen. Etwa 30 bis 35 Liter geben die Kühe täglich.
"Weil wir gut sind", erklärt Alessandro und lacht. Das Produkt werde nur pasteurisiert - also kurz auf 75 Grad erhitzt, um Keime abzutöten, dann wieder abgekühlt. Keine Zusatzstoffe, alles natürlich und traditionell, "so wie früher" heißt das Motto. Der Kirschjoghurt, der ebenfalls zum Sortiment gehört, ist allerdings nicht mit Früchten vom Hof gemacht, sagt einer der Mitarbeiter auf Nachfrage.
Süßlicher Milchduft
Die Milch wird direkt vor Ort nicht nur zu Joghurt, sondern auch zu Käse. Neben typischen italienischen Sorten wie Ricotta und Primo Sale verlassen etwa 20 bis 25 Kilo Mozzarella täglich die päpstliche Molkerei. Noch immer liegt ein leicht süßlicher Milchduft in der Luft, obwohl das Produkt längst verarbeitet ist. "Für einen guten Käse braucht man vor allem gute Milch", meint Käser Daniele, der seit fünf Jahren in der Molkerei auf dem Papstbauernhof arbeitet. Etwas Salz und Zeit gehören auch dazu - einen Mozzarella zu machen dauere etwa vier bis fünf Stunden. Das Ergebnis überrascht - der aus normaler Kuhmilch hergestellte Käse schmeckt fast so intensiv wie Büffelmozzarella. Wenn Danieles These über guten Käse stimmt, liegt das an der Milch.
Die Schicht von Daniele und seinen Kollegen Emilio und Matteo beginnt um vier Uhr früh; kurz vor zwölf mittags ist die Arbeit fast beendet. Matteo schöpft die letzten der weißen Mozzarella-Bällchen mit einer großen Kelle aus einer riesigen weißen Plastikbox in eine durchsichtige Tüte, etwas Salzlake dazu, Knoten drauf, fertig. Für den Transport kommt der Mozzarella in große, weiße Plastikbottiche.
Der Chef des Teams, Emilio, übertritt dann mit seinen weißen Gummistiefeln die Schwelle der Molkerei, zwei der Plastikbottiche voll Käse auf den Armen. Alles ist bereit für die Fahrt in den Vatikan. Dort wird der Mozzarella nicht nur im Supermarkt, sondern auch auf dem Mittagstisch von Papst Franziskus und weiteren Gästen des vatikanischen Gästehauses Santa Marta landen.
Auch der Teller des emeritierten Papsts Benedikt XVI. wird mit Produkten des Papstbauernhofs gefüllt - aber nicht nur. Manchmal gibt es auch Sonderbestellungen von ihm: Ein Mitarbeiter erinnert sich noch gut daran, wie überrascht er war, als er gebeten wurde, kurz bei einer deutschen Supermarktkette zu halten. "Benedikt XVI. bat um eine deutsche Wurst, die in Italien nicht einfach zu finden ist." In der Regel beliefert der Papstbauernhof den Vatikan mit den eigenen Produkten, aber manchmal gibt es also doch auch eine "Extrawurst".