Trump, Erdogan oder Kim Jong-un - die Motivwagen in den Karnevalshochburgen am Rhein spießen in diesem Jahr vor allem präsidialen Größenwahn auf. Das ist genauso wenig überraschend wie die Präsenz der Groko-"Freunde" Merkel und Schulz bei der jecken Satire-Parade. Überraschend ist der Seitenhieb in der Kategorie "Religion und Kirche": Diesmal hat es Kardinal Gerhard Ludwig Müller erwischt.
Der für seine pointierten theologischen Positionen bekannte Kirchenmann kommt im Rosenmontagszug von Mainz zu besonderen Ehren. Er wuchs einst im Stadtteil Finthen auf und war dort Messdiener. Der Motivwagen mit der Zugnummer 96 und dem Titel "Zurück an Absender" thematisiert die Ablösung des früheren Leiters der vatikanischen Glaubenskongregation durch Papst Franziskus. "Eine weiß-gelbe Silvesterrakete - vom Pontifex persönlich abgefeuert - machte sich daher auf den Weg nach Finthen! Arrivederci!", heißt es in den Erläuterungen zu der Darstellung. "Zu groß waren wohl die Differenzen."
Mahnung an das jecke Volk
Ob er das lustig findet? Müllers Amtsbruder, der aus der Kölner Karnevalshochburg stammende Berliner Erzbischof Heiner Koch, mahnt das jecke Volk zu Vorsicht. Allgemein und nicht auf Müller bezogen möchte er sensibel machen für verletzende Scherze auf Kosten anderer. Mit Bezug auf die Narrenfreiheit würden Grenzen leichtfertig überschritten, schreibt der Regimentsbischof der Kölner Prinzengarde. Durch Zuspitzungen würde häufig aus einer "zündenden Pointe eine verletzende Waffe".
Wie sensibel das Verhältnis von Religion und Satire ist, hat vor drei Jahren die Debatte um den für den Kölner Rosenmontagszug geplanten "Charlie-Hebdo"-Wagen gezeigt. Nach dem schrecklichen Attentat auf die Satire-Zeitschrift sollte darauf ein Clown zu sehen sein, der mit einem Stift das Gewehr eines Terroristen zerstört. Aus Angst vor gewalttätigen Reaktionen radikaler Muslime fuhr der Wagen nicht mit.
Jüdischer Wagen in Düsseldorf
Beleidigung oder Witz - es bleibt stets eine Gratwanderung. Koch berichtet über eine Diskussion mit muslimischen Vertretern, die keinen Sinn für Satire hätten: "Sie wundern sich, wie wenig es thematisiert wird, dass auch Satire eine Gewalt ist, die sie in ihrem Gottesverhältnis, in ihrem Gebet, in ihrer Spiritualität verletzt", so der Erzbischof.
Ein ganz anderes Verhältnis zum Thema hat das Judentum mit seiner Tradition des jüdischen Witzes. Dazu passt, dass die Gemeinde in Düsseldorf sich erstmals überhaupt mit einem eigenen Karnevalswagen am dortigen Umzug beteiligt. Eigentlich wird dort immer erst zwei Tage vor Rosenmontag das Geheimnis um die Motivwagen gelüftet, doch der Aufbau des jüdischen Wagens ist schon bekanntgemacht worden.
"Warum nicht auch die jüdische Gemeinde?"
Wagenbauer Jacques Tilly, sonst für seine bissigen Arrangements bekannt, hat sich für die jüdische Gemeinde ein Motiv zur Selbstdarstellung ausgedacht. Er zeigt eine große Pappmaschee-Figur des Dichters Heinrich Heine. "Wir feiern den größten jüdischen Sohn unserer Stadt", heißt es auf einer Tafel. Der Karnevals-Heine - an den städtischen Wahrzeichen Schlossturm und Lambertuskirche lehnend - trägt Kippa und Gebetsschal. Zwar hatte sich der in Düsseldorf geborene Dichter taufen lassen, doch für die jüdische Gemeinde bleibt er "einer von uns". Denn er sei nur wegen der Karriere im preußischen Rheinland zum Protestantismus übergetreten.
Die Idee zu dem Wagen kam Gemeindegeschäftsführer Michael Szentei-Heise beim Zug im vergangenen Jahr, als er zum 500. Reformationsgedenken Martin Luther durch die Straßen ziehen sah. "Wenn die Protestanten mitfahren können, warum nicht auch die jüdische Gemeinde?", fragte er sich. Heine stehe für viel Lebenslust und Humor - und vor allem für ein demokratisches Deutschland und ein einiges Europa. Entsprechend ist auf dem Wagen sein Kinderbett zu sehen - versehen mit dem gelben Sternenkreis der Europaflagge. Übrigens: Vom jüdischen Wagen werden auch Süßigkeiten ins närrische Volk geworfen. Die Gemeinde hat extra eine Tonne koschere Kamelle aus Israel geordert - ohne tierische Gelatine. Das dürfte auch den Muslimen gefallen.