Schreiben aus Rom überschattet Einkehrtage der US-Bischöfe

Ein Brief stört die Besinnung

Das neue Jahr fängt für die katholische Kirche in den USA an, wie das alte aufgehört hat: mit Sorge um die Konsequenzen aus dem Missbrauchsskandal. Für Wirbel sorgt die geleakte Kopie eines Briefs aus dem Vatikan.

Autor/in:
Thomas Spang
Geistlicher mit Händen vor den Augen / © Bob Roller (KNA)
Geistlicher mit Händen vor den Augen / © Bob Roller ( KNA )

Eigentlich wollten die amerikanischen Bischöfe den Jahreswechsel besinnlich begehen. Papst Franziskus hatte den Anführern der katholischen Kirche in den USA Einkehrtage nahegelegt.

Das Treffen im Mundelein-Priesterseminar nördlich von Chicago sei "strikt eine Zeit für das Gebet, Fasten und geistliche Vorträge", hieß es vor Beginn der einwöchigen Exerzitien am Mittwoch.

Ausdrücklich sollte es bei den Besinnungstagen nicht um die Missbrauchskrise gehen, die die US-Kirche im vergangenen Jahr wieder eingeholt hat. Gedacht war mehr an eine spirituelle Vorbereitung auf die Herausforderungen im neuen Jahr. Der Vatikan schickte eigens den päpstlichen Hausprediger, Raniero Cantalamessa, nach Chicago, um die geistliche Leitung des Treffens zu übernehmen.

Brief aus dem Vatikan

Das war der Plan, dem ein Leck aus der Kurie an die Nachrichtenagentur Associated Press in die Quere kam. Dabei handelt es sich um das Schreiben des Vorsitzenden der Bischofskongregation, Kardinal Marc Ouellet, an den Vorsitzenden der US-Bischofskonferenz, Kardinal Daniel DiNardo, im Vorfeld der Herbsttagung der amerikanischen Bischöfe im November in Baltimore.

Zur Überraschung der Teilnehmer hatte Kardinal DiNardo am 11. November, einen Tag vor Beginn des Herbsttreffens, in dem Brief Weisung erhalten, keine Beschlüsse zum Umgang der US-Kirche mit der Missbrauchskrise zu fassen. Eine herbe Enttäuschung für viele Gläubige, die nach den Enthüllungen um den früheren Kardinal Theodore McCarrick und dem verheerenden Bericht der Grand Jury von Pennsylvania über jahrzehntelangen Missbrauch durch Priester in dem Bundesstaat auf einen Aktionsplan gehofft hatten.

Unter anderem wollte die US-Bischofskonferenz einen neuen Verhaltenskodex für die Kirchenführer beschließen sowie eine Laienkommission zur Aufklärung von Vorwürfen gegen Bischöfe einsetzen. Vor allem letzterer Punkt führte zu Kontroversen innerhalb der Bischofskonferenz.

Der Vatikan selbst fühlte sich durch die späte Einbeziehung in die Diskussion durch den Vorsitzenden der US-Bischöfe offenbar überrumpelt. So jedenfalls klingt es in dem Schreiben Kardinal Ouellets: "Angesichts der Natur und der Reichweite des Dokuments, das der Konferenz vorliegt, wäre es hilfreich gewesen, mehr Zeit für Beratungen mit dieser und anderen Kongregationen gehabt zu haben, die Aufsicht über den Dienst und die Disziplin der Bischöfe ausüben."

DiNardo machte bei der Eröffnung des Herbsttreffens keinen Hehl aus seiner Meinung, die Verschiebung der Abstimmung über das Maßnahmenpaket sei vor allem das Verschulden des Vatikan. Er handele bloß auf "Insistieren des Heiligen Stuhls", sagte er den verblüfften Amtsbrüdern.

Obwohl die Endfassung des weitreichenden Reformpakets bereits am 30. Oktober vorlag, erhielt es die Bischofskongregation in Rom erst eine Woche später. Es traf an einem Donnerstag (8. November) ein und ließ den Experten der Kurie genau zwei Werktage Zeit, die Texte zu studieren und mit dem Kirchenrecht abzugleichen.

Insider weisen darauf hin, dass dies auch weltliche Bürokratien überfordert hätte. Für die langsam mahlenden Mühlen des Vatikan sah dies nach einem Manöver aus, um vollendete Tatsachen zu schaffen.

Vatikan erst spät einbezogen

Geplant oder nicht - nun wird DiNardo bei den Einkehrtagen gewiss die Fragen anderer Bischöfe beantworten müssen, warum der Vatikan bei dem brisanten Thema erst so spät einbezogen wurde. Zumal Papst Franziskus die Spitzen der Bischofskonferenzen weltweit vom 21. bis 24. Februar in den Vatikan einberufen hat, um über Konsequenzen aus dem Missbrauchsskandal zu beraten.

Von dem durchgesickerten Schreiben Kardinal Ouellets offenbar peinlich berührt, versicherte DiNardo, es sei nicht seine Absicht gewesen, die zuständigen Stellen zu umgehen oder sich Vollmachten anzumaßen, die nur der Vatikan habe. "Es ist nun klar, dass es unterschiedliche Erwartungen aufseiten der Bischofskonferenz und Roms gab, die das Verständnis dieser Vorschläge beeinflusst haben."

Beobachter berichteten auf Twitter, nur etwa 230 Bischöfe, knapp zwei Drittel aller US-Hirten, hätten sich in Mundelein eingefunden.

Mancher wertet dies als gezielten Affront gegen den Papst. Die genaue Teilnehmerzahl hat die Bischofskonferenz allerdings bisher nicht bekanntgegeben.


Kuppel des Petersdoms vor dunklem Himmel / © Cristian Gennari (KNA)
Kuppel des Petersdoms vor dunklem Himmel / © Cristian Gennari ( KNA )
Quelle:
KNA