Geistliche Musik hallt über Verstärker durch die Straßen in Münster. Überall sind Menschen unterwegs, dass sogar die sonst so routinierten Münsteraner Fahrradfahrer ins Straucheln geraten. 70.000 Menschen besuchen die Stadt zum Katholikentag. Das sind mehr als in das Rheinenergiestadion in Köln passen würden. Es ist voll, es ist Party-Stimmung und es ist laut.
Dagegen wirkt der Stand der Kapuziner wie eine Oase. Etwas am Rande des Geschehens steht das schlichte Zelt. Bruder Stefan sitzt auf einem Holzstühlchen. Eine Kerze brennt, während er mit seinem Gegenüber spricht. In Ruhe.
Idee für den Katholikentag Leipzig
Er hatte schon vor zwei Jahren die Idee Vier-Augen-Gespräche auf dem Katholikentag anzubieten. Damals noch in Leipzig. "Das ist sozusagen das Kontrastangebot zu dem Trubel und den großen Veranstaltungen", sagt er. Schon damals haben die Besucher die Möglichkeit angenommen, erinnert er sich. Ein Grund dies auch in der eigenen Stadt anzubieten.
"Katholik zu sein, ist etwas sehr individuelles", begründet er das Gegenangebot. Jeder habe seinen ganz eigenen Zugang zu Gott und zur Kirche. "Das muss auch besprochen und reflektiert werden." Bruder Stefan hält Predigten als einziges Impulsangebot für zu einseitig. "So eine Predigt richtet sich an alle. Und das kann wiederum nie genau auf die Lebenssituation jedes einzelnen zutreffen und passen." Wenn man noch so toll predige, dann bleibe das immer allgemein. Dagegen sei im Einzelgespräch die konkrete Person mit ihrer Geschichte und der aktuellen Situation im Fokus.
Entscheidungen, die schwer fallen
Der Theologe und Wissenschaftler Bruder Stefan findet es wichtig, als Seelsorger aufmerksam zuzuhören, damit sich das Gegenüber ernst genommen fühle. "Zudem macht erzählen glücklich", sagt er. Es gehe ihm nicht darum Ratschläge zu geben. Seine Erfahrung zeigt ihm, gerade in Entscheidungssituationen gäbe es meist schon eine Tendenz. Junge Erwachsene kommen zu ihm und suchen nach Rat. Ziehe ich etwa für das Studium bei den Eltern aus oder bleibe ich? Dabei wüssten sie das selber sehr genau. "Das merken sie dann im Gespräch."
Ratschläge gibt der 37-Jährige nur beim Beten. Viele Jugendliche kämen mit der Frage zu ihm, wie man bete. Seit Kindertagen hätten sie das nicht mehr gemacht. Dafür ist der Kapuziner bereits gewappnet. Auf Lesezeichen sind kleine Tipps gedruckt. "Da steht drauf, dass man am Ende des Tages inne hält, schaut was war und das ins Gebet bringt", erklärt er.
Keine Spickzettel hat der Bruder allerdings, wenn es um das Thema Zweifel im Glauben gehe. Denn auch sie werden angesprochen. Auch darin sieht der Bruder eine Natürlichkeit des Glaubens. "Glaube ohne Zweifel kann sich auch nicht weiterentwickeln." Im Gegenteil. Habe man einen felsenfesten Glauben, sei man auch sehr abgeschottet und merke gar nicht, wenn Gott ins Leben hineinspiele. "Auch ich als Ordensmann kenne Zweifel." Er lege dann nahe, dass man den Horizont dafür öffne, was Glaube eigentlich bedeutet. "Gott spricht nicht nur über die Bibel oder den Gottesdienst zu uns. Ich bin der festen Überzeugung, dass ich Gott auch dann erlebe, wenn ich an meine Grenzen komme."