Ein Bücher-Koffer soll Kindern in Heimen das Lesen näher bringen

Wann der Lokführer zur Toilette darf

Es geht um fremde Länder und gute Freunde. Um Krimigeschichten zum Mitraten und die Frage, "wann der Lokführer aufs Klo darf". Diese Geschichten und noch mehr stecken in einem Koffer voller Bücher, den eine bundesweite Initiative der Deutschen Bahn und der Stiftung Lesen Kinderheimen schenkt. Beim Start in Berlin las am Dienstag die Vorsitzende der Kinderkommission im Bundestag, Ekin Deligöz vor.

Autor/in:
Julia Grimminger
 (DR)

Schon seit 2007 gibt es das Projekt «Vorlesekoffer für Kinderheime». Man habe erst mal vorgefühlt, wie groß der Bedarf sei, erzählt Sabine Bonewitz von der Mainzer «Stiftung Lesen». Bislang haben durch das Projekt rund 1.500 Einrichtungen einen Koffer erhalten.

Bis Ende 2010 sollen nun alle Kinderheime, aber auch ambulante Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe von der Deutschen Bahn einen Vorlesekoffer erhalten, lautet das ehrgeizige Ziel.

Auch in Schwerin, Stuttgart, Wiesbaden und weiteren Bundesländern haben Kultus- und Sozialminister sowie Vertreter der Bahn die Initiative bereits offiziell gestartet. München wird Ende der Woche folgen. «Die landesweiten Auftaktveranstaltungen sollen das Infrastruktur-Netz jetzt dichter knüpfen», erklärt Bonewitz.

Dass es einen Bedarf nach Leseförderung gibt, belegt auch eine repräsentative Studie der Stiftung. So schaut in Deutschland jeder Vierte niemals in ein Buch. Rund 40 Prozent der Eltern lesen ihren Kindern im besten Vorlesealter unter zehn Jahren nur unregelmäßig oder gar nicht vor. Weniger als jedes zehnte Kind bekommt von seinem Vater vorgelesen. Mütter greifen im Vergleich acht Mal häufiger zum Kinderbuch.

Die 22 Bücher im Vorlesekoffer sollen diesem Trend entgegensteuern und eine Gruppe unterstützen, «die an sich schon benachteiligt ist», wünschen sich die Initiatoren. Die Texte stammen aus den Verlagen Beltz&Gelberg, Carlsen, Ravensburger und Velber, die das Projekt zugleich unterstützen. Aber auch jeder Bahn-Fahrer kann die Koffer-Spende fördern, indem er die BahnBonus-Punkte, die beim Gebrauch der Bahn-Card verbucht werden können, in das Projekt investiert. Der Bahn zufolge erbrachte die Aktion im vergangenen Jahr zur Weihnachtszeit einen Erlös, der 156 weitere Bücherkoffer finanzierte.

Lesen, so Deligöz, sei eine Grundvoraussetzung für eine gute Sprache. Es sei deshalb besonders wichtig, Kindern eine Gelegenheit zu schaffen, durch Lesen zu lernen. «Wir brauchen mehr solche Alternativen», forderte sie. Zugleich gab sie zu bedenken, dass in Deutschland jedes fünfte Kind Sprachprobleme habe. Man müsse Kindern zeigen, dass nicht nur das Fernsehen die Fantasie beflügle. Als Deligöz den Bücher-Koffer den Kindern im Elisabeth-Weiske-Heim der Berliner Behindertenhilfe übergibt, stöhnt die elfjährige Angelique:
«Ganz schön schwer».

Angaben darüber, wie hoch die Anzahl der in die Aktion einzubeziehenden Heime ist, machte die Projektleitung nicht. «Wir setzen uns ein offenes Ziel. Die Einrichtungen melden sich bei uns», erläutert Bonewitz. Es soll dabei keine Rolle spielen, ob das Heim staatlich oder kirchlich gefördert ist oder ob es sich um eine ambulante Einrichtung der Kinder- und Jugendhilfe handelt. In Deutschland gibt es allein über 1.000 christliche Heime und Wohngemeinschaften. So betreut die Caritas nach eigenen Angaben rund 400 Einrichtungen für Kinder und Jugendliche. Die Diakonie fördert über 700 Heime und Wohngruppen.