Sinti und Roma gehören einer Studie zufolge zu der unbeliebtesten Minderheit in Deutschland. Rund ein Drittel aller Deutschen empfindet eine direkte Nachbarschaft mit Sinti und Roma als "eher oder sehr unangenehm", wie eine am Mittwoch in Berlin vorgestellte Studie der Antidiskriminierungsstelle des Bundes ergab.
Die Hälfte der Befragten gab an, dass Sinti und Roma durch ihr Verhalten Feindseligkeiten in der Bevölkerung hervorrufen würden. Jeder Zweite hält zudem Einreisebeschränkungen für angemessen.
Indiz für ein Fremdheitsgefühl
Diese Ergebnisse seien ein Indiz für ein Fremdheitsgefühl gegenüber der Gruppe, hieß es. Jeder Vierte geht außerdem davon aus, dass sich der Lebensstil von Sinti und Roma sehr stark von der Mehrheit in Deutschland unterscheidet. Jeder Dritte ist sich sicher, dass er Sinti und Roma am äußeren Erscheinungsbild erkennen könnte.
Auch bei der Zuordnung von Berufen zeigten sich tief verwurzelte Vorurteile. So gaben über 70 Prozent an, dass sie vor allem den Beruf der Tänzerin vor Augen hätten. Über 80 Prozent assoziierten vor allem Musiker und Schausteller mit Sinti und Roma. Berichterstattungen über die Gruppe werde jedoch von vielen nicht wahrgenommen.
Partizipation erhöhen
Die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, Christine Lüders, hält die Befunde der Untersuchung für dramatisch. Sie regte deshalb an, die Partizipation von Sinti und Roma zu erhöhen. Dies könne etwa über eine Teilhabe in den Rundfunkräten gewährleistet werden. Außerdem schlug sie eine entsprechende Arbeitsgruppe in der Kultusministerkonferenz vor. Die Gründung einer speziellen Bildungsakadamie, die von Bund und Ländern getragen wird, könne für einen gerechten Zugang zur Bildung sorgen.
Der Vorsitzende des Zentralrates Deutscher Sinti und Roma, Romani Rose, zeigte sich ebenfalls tief besorgt über die Ergebnisse der Studie. "Die Studie zeigt, dass es eine hohe situative Ablehnung von Sinti und Roma gibt und dass tiefsitzende Vorurteile immer wieder reaktiviert werden können," sagte Rose. Das Feindbild "Zigeuner" sei in Deutschland noch immer aktuell. Er fordere deshalb erneut den Deutschen Bundestag auf, eine Expertenkommission zum Antiziganismus in Deutschland einzusetzen. Diese soll einmal pro Legislaturperiode dem Parlament einen Bericht vorlegen, der auch auf einer Folgeumfrage zu der am Mittwoch vorgestellten Studie basieren soll.
Die Arbeiterwohlfahrt (AWO) forderte angesichts der Studienergebnisse ebenfalls ein "klares Signal" der Politik. Immer wieder aufkommenden Vorurteilen müsse entschieden widersprochen werden. "Das Gegenteil wird aber getan, wenn über die sogenannte Armutszuwanderung gesprochen wird", sagte AWO-Vorstandsmitglied Brigitte Döcker. Die Studie zeige an vielen Stellen, dass Antiziganismus als eine Form von Rassismus in Deutschland weit verbreitet ist.
Beck: "Eine Schande"
Der innenpolitische Sprecher der Grünen, Volker Beck, bezeichnete die Studienergebnisse als "Schande". Es sei höchste Zeit, daran etwas zu ändern, sowohl in Politik und Verwaltung, als auch in den Schulen und Medien. "Wir müssen Entstehungsbedingungen und Erscheinungsformen des Antiziganismus systematisch untersuchen und Wissen über Sinti und Roma vermitteln." Damit soll ein unabhängiger Expertenkreis aus Wissenschaftlern und Praktikern beauftragt werden.
Für die repräsentative Studie "Zwischen Gleichgültigkeit und Ablehnung - Bevölkerungseinstellungen gegenüber Sinti und Roma" wurden rund 2.000 Menschen befragt. Die quantitativen Ergebnisse wurden vom Zentrum für Antisemitismusforschung an der Technischen Universität Berlin und dem Institut für Vorurteils- und Konfliktforschung bearbeitet.