Von Montag bis Mittwoch treffen sich in Antwerpen mehrere hundert orthodoxe Rabbiner und politische Entscheidungsträger, um über aktuelle politische und religiöse Fragen zu diskutieren.
An diesem Dienstag werden auch der Beauftragte der Bundesregierung für weltweite Religionsfreiheit, Markus Grübel, und die Antisemitismusbeauftragte der EU-Kommission, Katharina von Schnurbein, erwartet. Die Veranstaltung steht unter der Überschrift "Thora und Tradition angesichts der aktuellen Herausforderungen".
Der Präsident der Europäischen Rabbinerkonferenz, Pinchas Goldschmidt, sieht den Antisemitismus in einigen EU-Ländern als Instrument von Nationalisten im Europawahlkampf. Besonders in Polen sei das ein Problem, wo sich die Zahl der Juden stark reduziert habe, sagte Goldschmidt vor Beginn der Generalversammlung in Brüssel. "Die Europäer vergessen, wie die Welt unter der Nazi-Herrschaft war." Fehler der Vergangenheit seien wiederholt worden.
Für Verdienste ausgezeichnet
Drei Rabbiner sind auf der Konferenz für ihre Verdienste um das Judentum ausgezeichnet worden. Der erstmals verliehene Eliyahu Toaff Preis ging an Chanoch Ehrentreu für seine "maßgebliche Rolle bei der Förderung und beim Wiederaufbau des traditionellen jüdischen Lebens in Europa", wie es am späten Montagabend zur Begründung hieß.
Mit einer ähnlichen Begründung hatte Ehrentreu im Jahr 2018 als Rektor des Berliner Rabbinerseminars das Bundesverdienstkreuz erhalten. Das Rabbinerseminar wurde 2009 wiedereröffnet und bot so zum ersten Mal seit 1938 wieder die Ausbildung orthodoxer Rabbiner in Deutschland an.
Der Eliyahu Toaff Preis würdigt den Angaben zufolge Rabbiner für ihr Engagement zur Gemeinschaftsbildung innerhalb der jüdischen Gemeinde sowie zur Förderung des traditionellen jüdischen Lebens in Europa. Benannt ist sie nach dem ehemaligen Oberrabbiner von Rom, Elio Toaff (1915-2015). In seine Amtszeit fiel der historische erste Besuch eines Papstes - Johannes Paul II. - in der römischen Synagoge im Jahr 1986.
"Ein Europa ohne Juden ist kein Europa"
Auch in Ungarn und Griechenland nutzten Nationalisten Antisemitismus im Wahlkampf, so Goldschmidt. Es sei wichtig, die Religionsfreiheit in Europa zu schützen. "Ein Europa ohne Juden ist kein Europa." Der bevorstehende Austritt der Briten schwäche Europa. Großbritannien habe immer ein besonderes Auge darauf gehabt, die Religionsfreiheit der jüdischen Gemeinschaft nicht einzuschränken.
Straßen-Antisemitismus sei in Russland weniger geduldet. Das habe auch mit der Migration nach Europa zu tun. In Westeuropa würden Angriffe auf Synagogen inzwischen meist von islamistischen Radikalen verübt, in Russland und den USA seien überwiegend Rechtsradikale die Täter.
Gesetze gegen Schlachten von Tieren
Goldschmidt beklagte Gesetzesinitiativen in mehreren Ländern gegen die Beschneidung oder das Schlachten von Tieren. Die meisten dieser Initiativen richteten sich in erster Linie gegen Muslime. "Wir Juden sind da die Kollateralschäden." In zwei belgischen Regionen hatte die Politik das Schlachten von Tieren nach dem jüdischen und islamischen Religionsrecht, das sogenannte Schächten, verboten.
Der Oberrabbiner von Belgien, Albert Guigui, kritisierte in Brüssel das neue entsprechende Gesetz in Flandern. "Wir können es einfach nicht verstehen und finden es ungerecht." Er betonte darüber hinaus: "Antisemitismus und Islamophobie bedrohen die Werte Europas." Guigui forderte, dass die Justiz antisemitische Taten in allen EU-Staaten verfolge. Auch sollten Nachrichten antisemitischen Inhalts in Sozialen Medien verfolgt und bestraft werden.