Manchmal überkommt Menschen die Sehnsucht nach der vermeintlich besseren alten Zeit. Seit Loriot braucht es für dieses Gefühl keine langen Erklärungen mehr. Es reicht die Feststellung: "Früher war mehr Lametta." Der Ausspruch von Loriots "Opa Hoppenstedt" unter dem geschmückten Weihnachtsbaum wurde zum geflügelten Wort. Mit seinen TV-Sketchen und Zeichnungen schuf Vicco von Bülow - Loriot war sein Künstlername - Sätze und Figuren, die sich ins humoristische Gedächtnis der Deutschen eingebrannt haben. Da ist etwa die legendäre Liebeserklärung an «Fräulein Hildegard», die durch eine im Gesicht klebende Nudel eine unfreiwillige Komik erhält.
Ein Loriot-Klassiker ist auch das Zusammentreffen von Herrn Müller-Lüdenscheid und Dr. Klöbner in einer Badewanne ("Die Ente bleibt drin"). Der Sketch "Das Bild hängt schief" wurde zum Synonym für misslungene Verbesserungsversuche. Ein großes Fernsehpublikum hatten seine Zeichentrickfiguren Wum und Wendelin - ein Hund und ein Elefant, mit denen das ZDF ab Anfang der 70er Jahre in der Sendung "Der große Preis" für die "Aktion Sorgenkind" (heute "Aktion Mensch") warb. Vor zehn Jahren, am 22. August 2011, ist Vicco von Bülow im bayerischen Ammerland gestorben.
Selbstverständnis des deutschen Humors mitgeprägt
"Loriot ist in gewisser Weise zeitlos, weil die Qualität seiner Komik enorm hoch ist", sagt der Loriot-Experte Stefan Neumann von der Universität Wuppertal. Sein Werk sei zu großen Teilen bis heute aktuell, da es oft grundlegende Themen aufgreife. Vor allem seine Sketche über missglückte Kommunikation zwischen Männern und Frauen seien nach wie vor gültig, sagt der Germanist. Die Zeichentrick-Episode "Das Ei ist hart", in der ein Ehepaar aneinander vorbeiredet, diene sogar in Schulbüchern dazu, Kommunikationsmodelle zu veranschaulichen.
Loriot habe das Selbstverständnis des deutschen Humors entscheidend mitgeprägt, erklärt Neumann. "Spätestens seit Loriot weiß man, dass deutscher Humor nicht immer brachial, sondern auch feinsinnig und mehrdeutig sein kann."
Loriot selbst fand den schlechten Ruf der Deutschen in Sachen Komik ungerechtfertigt: "Die Deutschen haben genauso viel Humor wie alle anderen. Nur haben sie bestimmte Neigungen, die es ihnen manchmal schwer machen, leichter zu sein", erklärte er einmal. Die Karriere als Humorist war auch dem Sprössling einer preußischen Offiziers-Dynastie nicht in die Wiege gelegt.
Zeichenstift und Papier reichten nicht mehr aus
Loriot wird am 12. November 1923 als Bernhard-Viktor von Bülow, genannt Vicco, in Brandenburg geboren. Seine Mutter stirbt früh und er wächst zunächst bei seiner Großmutter in Berlin auf. 1938 zieht er mit dem Vater nach Stuttgart, wo er 1941 das Gymnasium mit dem Notabitur verlässt und Offizier an der Ostfront wird. Nach dem Krieg arbeitet er als Holzfäller, bevor er auf Vorschlag seines Vaters an der Landeskunstschule in Hamburg studiert.
Ab Anfang der 50er Jahre erscheinen seine Karikaturen zunächst im Hamburger Magazin "Die Straße". Später veröffentlicht er in "Stern", "Weltbild" und "Quick" unter dem Pseudonym "Loriot". Es ist inspiriert vom französischen Wort für Pirol. Der Vogel ist das Wappentier der Familie von Bülow. 1954 erscheint sein erster Cartoon-Band "Auf den Hund gekommen".
Irgendwann hätten ihm Zeichenstift und Papier nicht mehr ausgereicht, um sich mitzuteilen, erzählte er selbst. Zunächst präsentiert Loriot in der ARD-Sendereihe "Cartoon" anspruchsvolle Zeichnungen und Trickfilme anderer Autoren und Zeichner. Dann beginnt er, selbst Trickfilme zu produzieren und schließlich eigene Drehbücher als Realfilme umzusetzen.
Mit seiner Sendereihe unter dem Titel "Loriot" habe er "Klassiker der gehobenen Komik" geschaffen, sagt Neumann. Produziert wurden die Sketche, in denen Loriot oft an der Seite von Evelyn Hamann zu sehen war, von Radio Bremen.
Chronist gesellschaftlicher Entwicklungen
Außerdem drehte er zwei Kinofilme, in denen er als Drehbuchautor, Regisseur und Hauptdarsteller agierte: "Ödipussi" (1988) und "Pappa ante Portas" (1991). Daneben beschäftigte Loriot sich mit Musik und inszenierte Opern, etwa den "Freischütz" von Carl Maria von Weber in Ludwigsburg sowie Friedrich von Flotows "Martha" in Stuttgart.
Loriot sei auch Chronist gesellschaftlicher Entwicklungen seiner Zeit gewesen, sagt Neumann. Er thematisierte etwa die Frauenbewegung der 70er Jahre oder nahm gesellschaftliche Gepflogenheiten aufs Korn, die heute so nicht mehr existieren. Dieser Teil seiner Sketche sei deshalb heute für die jüngere Generation möglicherweise nicht mehr so nachvollziehbar, meint Neumann. Wenn zum Beispiel die von Evelyn Hamann gespielte Hausfrau "Frau Hoppenstedt" ein "Jodeldiplom" ablegt, um sich durch Bildung zu emanzipieren ("dann habe ich was Eigenes"), erscheint das heute antiquiert.
Dennoch wurden Loriots Werke auch nach seinem Tod am 22. August 2011 immer wieder neu aufgelegt. Selbst den Bundestagswahlkampf kommentiert er sozusagen posthum: Im Juni erschien ein Band mit dem Titel "Mit Loriot im Wahlkampf".