Jedes Jahr geht es eine Stufe herunter – immer weiter bergab. Schon im letzten Jahr hat sich der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz Kardinal Marx vorausahnend, treffend und laut gefragt, ob er von Jahr zu Jahr jetzt seine Betroffenheit steigern müsse? Bei Vorstellung der kirchlichen Jahresstatistiken sind die Kirchenaustritte Jahr für Jahr leider eine traurige verlässliche Größe. Wir Christen werden spürbar weniger. Alleine im Erzbistum Köln verließen im vergangenen Jahr fast 20.000 Katholiken ihre nicht mehr geliebte katholische Kirche. Das ist die Einwohnerzahl einer Kleinstadt. Diese Menschen haben einfach keine Lust mehr auf den „Verein“, der doch glaubte, nach dem Vertrauensverlust durch Missbrauchsskandal und Limburgs Bischofslügenberg endlich wieder nach oben zu kommen. Auch der Ärger rund um den neuen Bankeinzug bei der Kapitalertrags-Steuer kann den erneuten Anstieg der Austritte und die hohe Gesamtzahl nur unvollständig erklären.
Wer auch nur einmal einen nicht-kirchlichen, bezahlten Trauerprediger im Nebenberuf am offen Grab erlebt hat oder den deutschen Bildungsbürger in einem längst aufgegebenen katholischen Klosterrund bei der buddhistischen Meditationsübung beobachtet hat, der weiß, am religiösen Grundbedürfnis mangelt es ganz offensichtlich nicht. Es ist ja auch nicht so, dass es keine engagierten Geistlichen mehr gibt, die die Tag für Tag kleiner werdende Herde noch begeistern können. Aber insgesamt ist das Kirchenschiff in vielen deutschen Bistümern eben doch nicht im notwendigen Vorwärtsgang, sondern dümpelt oft trostlos in trüben, flachen Gewässern vor sich hin. Trotz des sich aufreibenden und mitreißenden päpstlichen Kapitäns Franziskus, der auch draußen auf stürmischer See Kurs hält und bei Freund und Feind Respekt und Bewunderung erzielt. Laubader aber sind überall wenig begeisternd. Doch auch wenn man dem ein oder anderen leitenden Kirchenmann gerne ein paar PS mehr verordnen würde, ist es zu einfach, die Verantwortung nur auf „die da oben“ abzuschieben. Stimmt schon, die Sache Jesu braucht Begeisterte – aber davon gibt es oben wie unten leider wirklich immer weniger. Wir Christen sind vielfach einfach träge und fett geworden im warmen Wohlstandsdeutschland – die Not, die früher mal das Beten lehrte, fehlt.
Stimmt das? Die weltweite Not, die täglich über unsere kalten digitalen Flatscreens flimmert, die notleidenden Flüchtlingsströme, die weder durch das Mittelmeer noch durch unsere gut gesicherten, abgeschotteten europäischen Grenzen aufgehalten werden – können wir diese Not wirklich einfach ausblenden und ignorieren? Nein – Christen auf jeden Fall nicht! Denn es gilt das Jesuswort: „Was ihr dem Geringsten meiner Brüder getan habt, das habt ihr mir getan!“ Wo aber aus der Freude des Gottesdienstes und aus der Kraft des Gebetes die Not gesehen und dann gehandelt wird, da lebt die Botschaft Jesu. Und wo die Botschaft Jesu glaubwürdig gelebt wird, da finden sich Zeugen, die begeistert berichten – und diese Begeisterung wird anstecken – früher oder später. Wer das nicht glaubt, darf gerne mal einen der Christen fragen, die dem Aufruf des Mut machenden Kölner Kardinals zur Flüchtlingsaktion mit 23.000 Glockenschlägen gefolgt waren und mit pitschnassen kalten Füßen ausgeharrt haben. Bleibt also wie so oft für jeden Christen am Ende nur Glaube, Liebe und Hoffnung – denn auch Rolltreppen ändern bisweilen ihre Richtung …