Dass ein Ende mit Schrecken allemal besser ist als ein Schrecken ohne Ende, gehört zu den Binsenweisheiten, die für menschliche Beziehungen ebenso gültig sind wie für geschäftliche. Wenn nun die reicheren unter den insgesamt schon nicht gerade armen deutschen katholischen Bistümern beim Weltbild-Verlag die Reißleine gezogen haben, dann deutet das darauf hin, dass die sich auftuende Finanzlücke für den einst so erfolgreichen Konzern erschreckende Ausmaße anzunehmen drohte. Von einem Finanzbedarf von mehreren hundert Millionen Euro bis 2017 ist die Rede - und das bei unklaren Aussichten, ob Weltbild mittel- und langfristig überhaupt zu retten ist.
Es ist kein Geheimnis, dass die Kirchensteuereinnahmen der deutschen Bistümer seit Jahren kräftig sprudeln. Dennoch gelang es den bei Weltbild in besonderer Weise engagierten (Erz)bistümern München und Freising sowie Augsburg nicht, die anderen kirchlichen Gesellschafter und die Banken nachhaltig davon zu überzeugen, dass bei dem Konzern ein Millionen- oder gar Milliardengrab vermieden werden kann. In Zeiten, in denen bischöfliche Bauprojekte von weit geringeren Dimensionen für Empörungswellen sorgen, wuchs die Furcht vor einem Finanzdebakel dieser Größenordnung ins Unermessliche.
Am Ende standen der Augsburger Bischof Konrad Zdarsa, in dessen Bistumsstadt der Konzern beheimatet ist, und der Münchner Generalvikar Peter Beer als Aufsichtsratsvorsitzender ziemlich alleine da mit ihrem Versuch, die Arbeitsplätze bei Weltbild zu retten. Die Verluste, insbesondere aus der Zeit zwischen Juli und Dezember 2013, waren gewaltig. Und seit Jahren schon wächst die Dominanz des Branchenriesen Amazon, der weit früher als Weltbild die epochalen Veränderungen des Buchmarkts durch das Internet erkannt und in neue Geschäftsmodelle übersetzt hatte.
Viele Verlierer
Zudem schwelte seit Jahren ein vergleichsweise kleiner Skandal um den Vertrieb erotischer und esoterischer Literatur durch Weltbild. Als dann wichtige Bistümer wie Köln als Anteilseigner kirchenpolitisch nicht mehr hinter Weltbild standen, wirkte das in diesem schwierigen Umfeld wie ein Brandbeschleuniger.
Verlierer gibt es nun viele. Da sind zunächst die Mitarbeiter, die sich nach einem neuen Arbeitsplatz umsehen müssen. In einer Vollbeschäftigungsregion wie Augsburg dürften die meisten freilich nicht allzu lange suchen, bis sie einen neuen Arbeitgeber finden. Zu den Verlierern zählt auch Weltbild-Geschäftsführer Carel Halff, der als Konzernchef über mehr als drei Jahrzehnte den richtigen Riecher im Buch- und Versandgeschäft hatte, dann aber offenbar nicht rechtzeitig und umfassend genug umzusteuern verstand.
Vorläufig stehen auch die an Weltbild beteiligten deutschen Bischöfe und ihr Dachverband VDD als Verlierer da. Sie müssen jeweils einige Millionen Euro abschreiben und ihren - zuletzt ohnehin nur noch geringen - Einfluss auf den deutschen Buchmarkt fast vollständig aufgeben. Auf der anderen Seite befreien sie sich von einem zunehmend belastenden unternehmerischen Engagement, das immer weniger zu ihrem bischöflichen Auftrag zu passen schien. Der vom damaligen Papst Benedikt XVI. bereits im Herbst 2011 bei seiner letzten großen Rede in Deutschland geforderten «Entweltlichung» sind die Bischöfe damit unfreiwillig ein Stück näher gerückt. Das muss langfristig nicht zum Schaden der katholischen Kirche sein und dürfte auch von Papst Franziskus nicht als Katastrophe bewertet werden.