Ein Kommentar zur Ungleichheitsfrage

Verhärtete Herzen

Eine neue Oxfam-Studie zeigt: Die reichsten 62 Menschen auf der Welt besitzen so viel Vermögen, wie die Hälfte der Weltbevölkerung. domradio.de-Chefredakteur Ingo Brüggenjürgen meint: Ein Unrecht, das zum Himmel schreit.

Ingo Brüggenjürgen / © Ide Lödige (DR)
Ingo Brüggenjürgen / © Ide Lödige ( DR )

Selbst wenn es hinsichtlich der Erhebung der Daten von Oxfam einige kritische Fragen gibt, so weist diese Studie doch darauf hin, dass in Sachen Verteilung der Güter weltweit ein Unrecht vorliegt, das zum Himmel schreit. Klar, dass die Kirche da nicht einfach wieder zur Tagesordnung übergehen kann, sondern auch hier den Finger in die schmerzende gesellschaftliche Wunde legt.

Der Heilige Vater schrieb den mächtigen Wirtschaftsbossen anlässlich des in Davos beginnenden Weltwirtschaftstreffens gerade erst wieder ins Stammbuch: "Wir dürfen niemals zulassen, dass die Kultur des Wohlstands uns betäubt und uns unfähig macht, Mitleid zu empfinden gegenüber dem schmerzvollen Aufschrei der anderen!" Ob die wohlhabenden Wirtschaftskapitäne aus aller Welt aber wirklich bereit sind, ihren Kurs zu ändern? Wer sich nur die jüngsten Verwerfungen am Markt durch den Machtkampf beim Ölpreis anschaut, der darf da berechtigte Zweifel haben. Aber wir brauchen gar nicht nur in Richtung der Verantwortlichen schielen und mit dem Finger auf das Versagen der anderen zeigen. Viele, nein viel zu viele Menschen in ganz Europa haben Angst um ihren Wohlstand und wollen nicht teilen. Nicht einmal der Hinweis, dass doch unser Wohlstand oftmals auf dem Rücken der Ärmsten und durch Waffenhandel aufgebaut wurde, öffnet die verhärteten Herzen. Die Notleidenden, Ausgebombten und Hilfesuchenden, die da an die Tür klopfen, werden immer stärker aus- und abgegrenzt.

„Es sind einfach zu viele!“, heißt es dann. Nein, es sind eher noch sehr wenige, wenn man bedenkt, wie viele Menschen weltweit unter Terror und Krieg, unter Not und Elend leiden. „Unser Wirtschaftssystem tötet!“ – diese Aussage von Papst Franziskus, der sich in Buenos Aires den Titel „Kardinal der Armen“ verdient hat, hielten viele für reichlich überzogen. Jeder, der da in diesen Tagen auf der immer gefährlicheren Balkanroute in der Hoffnung auf ein besseres Leben Richtung Europa zieht, wird dem Papst recht geben. Ob die Fliehenden aus dem Kriegsland Syrien oder aus einem Hungerland Afrikas kommen, spielt da keine Rolle. Wer Tag für Tag nur noch den Tod vor Augen hat, der wird sich weder durch Obergrenzen noch durch Nato-Draht aufhalten lassen. Diese Lektion haben Papst und Bischöfe schon gelernt und stärken der Kanzlerin den Rücken. Alle diejenigen aber, die der gerade noch mächtigsten Frau Europas die Gefolgschaft verweigern, darunter leider auch viele, die sich „christlich-sozial“ nennen, werden es auch noch schmerzlich lernen. Spätestens dann, wenn Grenzzäune, Gummiknüppel und Tränengas nicht mehr ausreichen werden, um unseren Wohlstand zu verteidigen.

 


Quelle:
DR