Ein moderater Reformer wird neuer Kardinalstaatssekretär

Pietro Parolin neuer päpstlicher Regierungschef

Die Ernennung zum Kardinalstaatssekretär ist die höchste Ehrung, die einem Vatikandiplomaten zuteilwerden kann. Mit Pietro Parolin wird eine internationalere Ausrichtung des Staatssekretariats erwartet.

 (DR)

Ein halbes Jahr nach seiner Wahl zum Papst setzt der ehemalige Erzbischof von Buenos Aires Kursänderungen bei der Führung der katholischen Kirche in wichtige Personalentscheidungen um. Zu den wichtigsten bisherigen Neuerungen gehört die Ernennung des Vatikandiplomaten Pietro Parolin (58) zum neuen Kardinalstaatssekretär.

Überraschende Aussagen

Noch bevor er am 15. Oktober offiziell das Amt übernimmt,überraschte der künftige vatikanische "Regierungschef" mit öffentlichen Aussagen, die bislang noch jeder Kurienkarriere das Genick brachen. In der Kirchenhierarchie gebe es "Widerstand" gegen Reformen im Geist des Zweiten Vatikanischen Konzils.

Die von Papst Franziskus angestrebten Veränderungen "können das Wesen der Kirche nicht gefährden", sagte Parolin der venezolanischen Tageszeitung "El Universal". Nach einer Zeit als "Vize-Außenminister" des Vatikans war er dort bis zu seiner Ernennung zum Staatssekretär als apostolischer Nuntius, als Botschafter des Heiligen Stuhls, tätig.

"Der Zölibat ist kein Dogma"

"Der Zölibat ist kein Dogma", stellte Parolin in Aufsehen erregenden Interviews fest. "Er kann zur Diskussion gestellt werden, weil er eine kirchliche Tradition ist."

Als der ehemalige Erzbischof von Sao Paolo, Claudio Hummes, nach seiner Ernennung zum Präfekten der vatikanischen Kleruskongregation 2006 ähnliche Worte fand, wurde er umgehend zum Schweigen gebracht.
Hummes gelang es beim letzten Konklave im vergangenen März indes, Stimmen einer Mehrheit der Kardinäle für den jetzigen Papst zu sammeln.

"Mehr Repräsentanz der Gläubigen"

"Gewiss ist in der Kirche mehr Demokratie nötig", äußerte Parolin, während Papst Franziskus Obrigkeitsdenken in der katholischen Hierarchie bekämpft. Die Kirche sei zwar keine Demokratie, Forderungen nach stärkerer Repräsentanz der Gläubigen dürfen aus Sicht des künftigen vatikanischen Staatssekretärs jedoch nicht ungehört bleiben.

Mit Parolin wird aufgrund seiner Erfahrungen im diplomatischen Dienst eine internationalere Ausrichtung des Staatssekretariats erwartet. Sein Vorgänger Tarcisio Bertone beschränkte sich als salesianischer Ordensmann dagegen auf die Angelegenheiten der italienischen Ortskirche.

Vorgänger wenig diplomatisch

Mit starkem Geltungsbedürfnis ausgestattet absolvierte Bertone jedoch Auslandsreisen, bei denen er mitunter wie 2010 in Chile mit unglücklichen Äußerungen auffiel. Homosexualität und Pädophilie seien zwei eng miteinander verbundene Phänomene, erklärte er unter dem Eindruck der Missbrauchsskandale. "Das ist die Wahrheit und das ist
das Problem".

In Italien bemühte Bertone sich vergeblich um die Schaffung eines katholischen Krankenhausimperiums. Bei der Aufhebung der Exkommunikation für den Holocaust-Leugner Richard Williamson glänzte er durch Abwesenheit. In der Öffentlichkeit war Williamsons Äußerung über die Schoah bekannt. Im Vatikan stoppte dennoch niemand die
Versöhnungsschritte in Richtung der erzkonservativen Traditionalisten, die auch ihm den Weg zur Rückkehr in die
katholische Kirche ebneten.

Diplomatie und Seelsorge

Parolin verbindet in seiner Biografie eine diplomatische Karriere im Dienst des Vatikan mit Erfahrungen in der Seelsorge. Nachdem der Sohn eines Eisenwaren- und Landmaschinenhändlers und einer Grundschullehrerin aus Schiavon bei Vicenza bereits mit zehn Jahren seinen Vater durch einen Autounfall verlor, trat er im Alter von 14 Jahren in das Priesterseminar ein.

Nach zweijährigem Dienst in einer Pfarrei wurde der 1980 zum Priester geweihte Parolin nach Rom zum Kirchenrechtsstudium an die päpstliche Gregoriana-Universität entsandt. Wenige Jahre später trat er in die Diplomatenakademie des Vatikan ein. Als Absolvent der Kaderschule der vatikanischen Kurie sammelte er zunächst Erfahrungen an den Nuntiaturen in Nigeria und Mexiko.
 

In dem afrikanischen Land lernte er in der pastoralen Praxis Schwierigkeiten des dortigen Zusammenlebens zwischen Christen und Muslimen kennen. In Mexiko trug er zu den Verhandlungen bei, die 1992 zur Anerkennung der katholischen Kirche und zur Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen dem Heiligen Stuhl und dem lateinamerikanischen Land führten.

Zurück an der vatikanischen Kurie pflegte er im Staatssekretariat zunächst die Beziehungen zu Italien, bevor Parolin sich als "Vize-Außenminister" des Vatikan mit heiklen Fragen im Umgang mit asiatischen Staaten wie Vietnam und China beschäftigte.


Quelle:
epd