Schießler mag gar nicht daran denken, dass er in einem Dorfkirchlein südöstlich von München dann vielleicht einen frisch gebackenen Weltmeister vor sich hat. WM-Erfahrung bringt Schießler durchaus mit. Beim Sommermärchen vor vier Jahren in Deutschland war er als freiwilliger Helfer unterwegs. Aber einen besonderen Draht zu seinen prominenten Brautleuten hat der 49-Jährige deswegen nicht gehabt. «Zu der Trauung bin ich wie die Jungfrau zum Kind gekommen», erzählt er. Der Wedding-Planer habe ihn angefragt und da habe er ja gesagt - unter einer Bedingung: Der «rote» Bayern-Star müsse akzeptieren, «dass der Pfarrer ein Blauer ist».
Problem: Er ist "Löwen-Fan"
Seit seiner Jugend im Münchner Stadtteil Laim ist Schießlers Verein der TSV 1860 München. Er konnte gar nicht anders, als «Löwen»-Fan zu werden: «Wenn ich in meiner Siedlung gesagt hätte, ich bin ein Bayer, wäre ich verprügelt worden.»
Noch vor der heißen Phase der Bundesliga setzte der Pfarrer ein Vorgespräch mit den Brautleuten an. «Da habe ich dann zwei ganz normale junge Leute getroffen.» Lahm sei ein bescheidener Typ, ebenso seine künftige Gattin, die überhaupt nichts vom Nimbus einer arroganten Spielerfrau habe. Er habe sofort ein gutes Gefühl gehabt.
Hätte er den Eindruck gewonnen, dass man ihn und sein Amt missbrauche, hätte Schießler abgelehnt.
In der Kirche kein Wort über Fußball
Doch auch dem Pfarrer stellte das Paar eine Bedingung: in der Kirche kein Wort über Fußball. Das dürfte ihm nicht leicht fallen. Die Versuchung ist einfach zu groß. Deshalb will Schießler, wie in der TV-Sendung «Doppelpass», ein «Phrasenschwein» aufstellen, in das er Geld für einen wohltätigen Zweck einwirft, sollte er zu einem Ausflug in den Strafraum der Fußballsprache verleitet werden. Sechs Minuten und dreißig Sekunden wurden ihm für die Predigt eingeräumt. Im Falle einer Verlängerung wird er - wie bei der WM - auf einem Schild in roter Schrift die Nachspielzeit anzeigen.
Mit der von den Lahms ausgewählten Bibelstelle ist der Pfarrer
zufrieden: das Hohelied der Liebe aus dem ersten Brief des Apostels Paulus an die Korinther. Eine «echte Steilvorlage» sei das, sagt Schießler, «die Nummer eins in den Charts der Hochzeitstexte». Vielleicht dachte er dabei auch an Franz Beckenbauers gesungene Hymne: «1:0 für Deine Liebe». In «zölibatärer Bescheidenheit» will der Pfarrer dem jungen Paar aber nicht allzu viele Ratschläge für ihr Eheleben erteilen.
Keine bierernste Veranstaltung
Eine würdige und zugleich keine bierernste Veranstaltung plant Schießler, der regelmäßig auch auf dem Oktoberfest kellnert. «Ein wichtiger schöner Akt, der aber gewürzt ist mit Lebensfreude, Lachen und Fröhlichkeit.» Dass Lahm evangelisch ist und seine Braut katholisch, darin sieht der Pfarrer kein Problem. Anders lägen jene Fälle, in denen ein Partner aus der Kirche ausgetreten sei. Denn Trauung bedeute, sich in den Dienst der Kirche nehmen zu lassen. Die Botschaft: «Schau, so wie wir zwei uns lieben, so könnt ihr euch vorstellen, dass Gott die Menschen liebt.»
Doch für den Kapitän und seine Mannschaft steht jetzt erst einmal eine andere Prüfung bevor: das Viertelfinale gegen Argentinien. Schießler wünscht sich auch aus seelsorglichen Gründen einen Sieg von Jogis Jungs. Denn: «Wenn Maradona auch noch Weltmeister wird, dann flippt er ganz aus.» Ist es erlaubt, für den Sieg zu beten? «Ja natürlich, aber es bringt nur nichts», antwortet der Priester salomonisch. Vielmehr gebe Beten die Kraft, mit jeder Sitation fertig zu werden, ob Sieg oder Niederlage. Das dürfte auch für die Ehe gelten.
Ein Münchner Pfarrer traut nach der Fußball-WM Kapitän Lahm
Steilvorlage von Paulus
Momentan sieht Pfarrer Rainer Schießler Philipp Lahm nur im TV beim Kicken in Südafrika zu. Doch drei Tage nach dem Finale der Fußballweltmeisterschaft wird der 26-jährige Kapitän der Nationalelf mit seiner Braut Claudia Schattenberg vor ihm stehen und den Bund fürs Leben schließen. Ein Besuch.
Share on