2002 habe ich das letzte Mal Johannes Paul II. live im Petersdom erlebt, schon damals sichtbar gezeichnet, seine Worte schwer verständlich. Aber alle Augen gingen auf ihn, er war der Papst, der Papst war Johannes Paul II.! Rücktritt? Undenkbar!
Als Joseph Ratzinger 2005 Papst wurde, fand ich das gut. Ein international anerkannter Theologe auf dem Stuhl Petri, der den Vatikan gut kennt und hoffentlich all das anpackt, was in den letzten Jahren von Johannes Paul II. in Folge von dessen Krankheit liegen geblieben war.
Mehr als nur Pannen
In der Rückschau auf Benedikt wird viel von den Pannen während seines Pontifikats gesprochen. Natürlich gab es Fehler und Versäumnisse, man denke nur an den Umgang mit den Pius-Brüdern und dem Holocaust-Leugner Williamson oder die unzureichende Aufarbeitung der schrecklichen Missbrauchsfälle weltweit.
Aber immerhin hat Benedikt Missbrauchsopfer als erster Papst überhaupt getroffen, er ging auf Vatikan-Kritiker wie Hans Küng zu, er versuchte die berüchtigte Vatikan-Bank zu reformieren und vor allem: er "erdete" das Papstamt. Wo Amt und Person in Johannes Paul II. nahezu verschmolzen und "larger than life" wurden, machte er es wieder menschlicher. Nicht mehr jede Seligsprechung musste der Papst vornehmen, bei seinen drei Jesus-Büchern schrieb er im Vorwort, dass natürlich Kritik an den Texten erlaubt sei.
Seine freundlich-unbeholfene Art vor allem zu Beginn seines Pontifikates bei den öffentlichen Anlässen hatte so gar nichts mit den charismatischen Auftritten seines Vorgängers gemein, auch sein Nachfolger ist ihm da um Längen voraus.
Rücktritt ist kein Tabu mehr
Vor allem aber sein Rücktritt hat deutlich gemacht: auch das Papstamt wird von einem Menschen getragen, mit all seinen Fehlern und eben auch körperlichen Schwächen. Und man kann von diesem Amt zurücktreten, es ist eben nicht eine unlösbare Symbiose zwischen Amtsträger und Amt.
Vielleicht war es vor allem die drückende Last der Verantwortung oder der Wille, doch noch ein paar Jahre im Ruhestand verbringen zu können – so einen Schritt gewagt zu haben, sollte bei aller Kritik an der Amtszeit von Benedikt immer mitbedacht werden.
Ein Schritt des Mutes
Wer die Texte und Erinnerungen von Joseph Ratzinger liest, spürt, wie tief er in der katholischen Welt verwurzelt ist. Da muss man erstmal auf den Gedanken zum Rücktritt kommen und dann den Mut aufbringen, diesen Schritt zu gehen. Eigentlich sind alle seine Vorgänger in den letzten Jahrhunderten im Amt gestorben – ein Papst Franziskus als Ruheständler erscheint im Moment undenkbar, auch wenn die Zeit nicht spurlos an dem 84jährigen vorübergeht.
Dass es seit sieben Jahren zwei Männer in weiß im Vatikan gibt, hat viele am Anfang verstört, aber auch das holt das Papstamt etwas vom Sockel: so wie es einen Alt-Bischof in einer Diözese gibt, hat die Kirche nun einen Alt-Papst - auch wenn das neue Probleme mit sich bringt.
Nicht so ganz verborgen
Denn "verborgen vor der Welt" wollte Benedikt als Emeritus leben – das hat nicht geklappt und mit seinen Textveröffentlichungen u. a. zu den Ursachen von sexuellem Missbrauch hat er sich, der Missbrauchsaufklärung und der Kirche insgesamt keinen Gefallen getan.
Aber Benedikts Schritt, die Macht als Oberhaupt der Katholischen Kirche mit mehr als einer Milliarde Mitgliedern weltweit abzugeben, obwohl seinem schwerkranken Vorgänger das Wort zugeschrieben wird, Jesus sei ja auch nicht vom Kreuz herabgestiegen, ist sein bleibender Verdienst.
Mathias Peter
Zum Autor: Mathias Peter ist Theologe und Redakteur bei DOMRADIO.DE.