Ein Pfarrer gründete den ersten Tierschutzverein

Bis heute aktuelles Engagement

Tierschutz und Kirche - das scheint auf den ersten Blick wenig miteinander zu tun zu haben. Dabei war es ein Pfarrer, der am 17. Juni 1837 den ersten Tierschutzverein gründete: Der evangelische Pfarrer Albert Knapp verabscheute Gänsestopfleber und Hetzjagden, Tierschutz war für ihn ein christliches Anliegen, bei dem er sich auf die Bibel berief.

Autor/in:
Angelika Prauß
 (DR)

Dabei entstand die Idee schon einige Jahre zuvor. Ein toter, von Gewehrkugeln durchsiebter Storch war der Auslöser. Knapps Freund, Pfarrer Christian Adam Dann, entdeckte das verendete Tier, das zuvor seit Jahren auf seinem Kirchdach seinen Nistplatz hatte. Das Storchenpaar hatte er wiederholt in seinen Predigten als Vorbild für lebenslange Treue erwähnt. Erzürnt über den sinnlosen Tod des Storches veröffentlichte Dann 1822 seine vielbeachtete "Bitte der armen Thiere, der unvernünftigen Geschöpfe, an ihre vernünftigen Mitgeschöpfe und Herrn, die Menschen". Darin verurteilte er jede Art von Tierquälerei. Und er rief seine Mitbürger auf, diese Mitgeschöpfe nicht aus Spaß zu töten, zu quälen oder auszunutzen.



Die Gedanken des pietistischen Pfarrers verfehlten ihre Wirkung nicht. Offenbar hatte er in seinem Freund und Amtsbruder in St. Leonhard, Albert Knapp, einen Verbündeten gefunden. Nur drei Monate nach Danns Tod gründete Knapp den ersten deutschen Tierschutzverein. Zugleich rief er zur Gründung von örtlichen Tierschutzvereinen auf. Sein Engagement für Tiere sprach sich herum; nicht überall war die Resonanz positiv. Gerade bei den Kirchen stieß er auf großen Widerstand und Ablehnung. Das konnte Knapp und seine Mitstreiter nicht aufhalten. Bald gründeten Gleichgesinnte weitere Vereine in ganz Deutschland. Und schon zwei Jahre nach der Vereinsgründung wurde 1839 das erste württembergische Tierschutzgesetz erlassen, das Verbot der Tierquälerei wurde ins Strafgesetzbuch aufgenommen.



"Die Kirche sollte ein Zeichen setzen"

Die Tierschutzidee zog weiter Kreise. 1871 wurden erstmals Straftaten gegen Tiere im Reichsstrafgesetzbuch definiert. Zehn Jahre später gingen die Tierschutzvereine in den Deutschen Tierschutzbund über; heute zählt er mehr als 730 Vereine mit über 800.000 Mitgliedern. Denn auch 175 Jahre nach der Gründung hat das Thema nichts an Aktualität eingebüßt. An der Ehrfurcht scheint es heute angesichts vielfachen Tierleides bei Schlachttransporten und medizinischen Versuchen oft zu fehlen. Tierschutz wird noch immer eher halbherzig beachtet; auch wenn er vor zehn Jahren als Staatsziel ins Grundgesetz aufgenommen wurde.



Die Deutsche Bischofskonferenz hat 1993 das Arbeitsheft "Die Verantwortung des Menschen für das Tier" herausgegeben. Dennoch ist das Verhältnis der Kirche zum Thema Tierschutz nicht ungetrübt. "Das Thema weist auf eine Leerstelle hin", kritisiert der Münsteraner Theologe Rainer Hagencord. Zudem bemängelt der Leiter des Theologisch-Zoologischen Instituts die Zweiteilung in umsorgte Haustiere und landwirtschaftliche Nutztiere, die "überhaupt nicht mehr im Blick" seien. Hagencord, der auch die ökumenische "Aktion Kirche und Tiere e.V." (AKUT) unterstützt, beobachtet diesbezüglich viel Polemik und "Machtspiele" zwischen Kirche und Landwirtschaftsverbänden.



So habe der Wiener Kardinal Christoph Schönborn im März viel Prügel einstecken müssen, als er aus Tierschutz- und ökologischen Gründen nicht nur während der Fastenzeit zu Fleischverzicht aufrief. Der österreichische Bauernverband habe daraufhin die Halbierung der Kirchensteuer gefordert. Auch Hagencord ist 2011 aufgrund seiner Position in Konflikt mit einem Landwirtschaftsverband geraten - "ein Wespennest" umschreibt er die Befindlichkeiten. Nichtsdestotrotz setzt sich der Theologe weiterhin dafür ein, die Zusammenhänge von Fleischkonsum und dessen Folgen in die Gemeinden zu bringen.  Hagencord: "Die Kirche sollte ein Zeichen setzen, wie Kardinal Schönborn das macht." Auch dem Gründungsvater der Tierschutzvereine in Deutschland würde das wohl gefallen.