Ein Plädoyer für einen Ökumenischen Kirchentag 2017

"Was würde Jesus sagen?"

Der erste Ökumenische Kirchentag fand 2003 in Berlin statt, sieben Jahre später folgte der zweite in München. Steffen Reiche und Hans-Georg Hunstig waren hier Mitglied im Präsidium – und machen sich nun für eine dritte Auflage stark: 2017, im 500 Jahr der Reformation. domradio.de dokumentiert den Appell.

 (DR)

Was würde Jesus Christus zur Frage eines Ökumenischen Kirchentages im Jahre 2017 sagen? Vermutlich wäre er verwundert? Und vielleicht würde er mit einer Gegenfrage antworten: Warum fragt ihr noch? Für ihn wäre es wohl selbstverständlich, dass nach zwei erfolgreichen Ökumenischen Kirchentagen 2003 in Berlin und 2010 in München der nächste, der 3. Ökumenische Kirchentag dann 2017 stattfinden müsste, im 500. Jahr der Reformation. "Wenn ihr euch schon über vieles immer noch nicht einigen könnt und der Skandal getrennter Abendmahlsfeiern bestehen bleibt, dann macht wenigstens einen gemeinsamen Kirchentag in diesem Jahr." könnte er antworten.



2017 - 500 Jahre Reformation - Beginn der Neuzeit! Und dann im Land der Reformation ein gemeinsamer Kirchentag!  Dort wo die Spaltung begann, die so viele weitere Trennungen nach sich zog. Und dann würde ER uns wohl so anschauen, dass es auch der Letzte begreifen würde, dass damals, als die ersten beiden Kirchentagstermine im Rhythmus der sieben Jahre festgelegt wurden, der Heilige Geist seine Hände im Spiel hatte.



Und dann würde ER Einzelgespräche mit den verschiedenen Seiten führen. Und die Evangelischen würden jammern und sagen: "Na die wollen doch nicht. Wir würden ja schon wollen...." Aber man würde es sehr gut hören, wie dankbar die Protestanten sind, dass die Katholiken mit ihren Bedenken ihnen einen guten Vorwand geben, 2017 doch nur zu einem Deutschen Evangelischen Kirchentag einzuladen. Und hatte nicht ein Teil der evangelischen Basis, z.B. die vielen Landesausschüsse, sehr klar gesagt, dass sie lieber allein feiern wollten: Wir feiern unsere Reformation, unseren Martin Luther. Wir wollen uns evangelisch vergewissern, ehe wir ökumenisch weiter gehen. Die Anderen können alle gern dazu kommen, aber wir sagen, wie und was gefeiert wird. Endlich stehen einmal wir als Evangelische im Mittelpunkt und warum sollten wir das teilen mit denen, die doch sonst immer weltweit im Mittelpunkt stehen.



Und Jesus würde seine evangelischen Nachfolger vielleicht fragen: "Was würde Luther dazu sagen?" Und Jesus wüsste, dass sie wissen, dass dieser kein Verständnis für sie haben würde. Der katholische Martin Luther, der doch nur aus Gehorsam Christus gegenüber der katholischen Kirche seiner Zeit widersprochen hatte und dem die Trennung von seiner Kirche schwer gefallen war. Nun aber bestand der eigentliche Grund der Reformation schon längst nicht mehr. Über die Rechtfertigungslehre, wegen der man sich damals hatte trennen müssen, gibt es schon seit 1999 einen Konsens. Und arbeiten die Katholiken nicht schon sehr geheim daran, die Bannbulle über Luther aufzuheben?



Resigniert würde Jesus dann aus dem Raum Wittenberg des Hotels "Christentum" in den Raum Rom zu den Katholiken gehen. "Warum feiert ihr das Jubiläum 2017 nicht mit?" fragt er dort dann entgeistert die Frauen und Männer vom ZdK sowie die Bischöfe und Kardinäle. "Wir würden ja, aber die wollen ja nicht. Und außerdem, wie kommt das in der Weltkirche an, wenn wir hier, wo wir uns getrennt haben, nun gemeinsam feiern? Nein! Die Gefahren sind vermutlich größer als der Nutzen."



Und schließlich würde Jesus auch in den Raum Konstantinopel gehen, in dem sich die orthodoxen Christen versammeln. Zu seiner großen Freude hört er hier nur Zustimmung: "Wir wären - wie sicher viele der anderen kleineren Kirchen in Deutschland- gerne wieder dabei. Wir könnten anknüpfen an unsere Beteiligung in München wie z.B. die Orthodoxe Vesper mit dem gesegneten Brot an den 1000 Tischen."



Warum sollen wir nun verstehen, was Jesus auch nicht verstehen würde? (Nebenbei: Natürlich waren wir nicht mit Jesus zum Interview verabredet, aber würde er nicht vermutlich so mit uns sprechen?)



Jetzt werden Weichen gestellt. Heute sieht es fast so aus, als ob beide Seiten, sich gegenseitig die Schuld gebend, erleichtert fröhlich resignieren und 2016 die einen erst den 100. Deutschen Katholikentag feiern und dann 2017 die Evangelischen ihren 36. Deutschen Evangelischen Kirchentag im 500.Reformationsjahr. Dabei sind die Unterschiede zwischen beiden Konfessionen kleiner geworden. Die Kirchentage haben die Kirchen geändert und sie helfen mit, dass es keinen Rückfall mehr gibt.



Aber das Risiko, den Beginn der Reformation und der Kirchentrennung gemeinsam zu begehen und damit zu überwinden, und das Risiko einer neuen ökumenischen Offenheit, das ein Kirchentag 2017 haben würde, scheint den verfassten Kirchen und manchen in ihren Laienorganisationen leider dann doch zu groß. Kirchentage erziehen eine neue Generation.  So denken manche offenbar daran, 2017 nicht gemeinsam mit einem 3. ÖKT zu begehen. 2017 soll dann nur ein Evangelischer Kirchentag mit Ökumenischem Plus stattfinden. Ein Ökumenisches Camp oder ein Ökumenisches Jahr, ein Ökumenischer Kongress oder ein anderes Ökumenisches Zeichen soll auf den Deutschen Evangelischen Kirchentag im Sommer 2017 folgen.



Den Protestanten sei deshalb voller Protest zugerufen: "Christus hat sich für uns gegeben. Und ihr sollt nur das bisschen Kirchentag geben und schon das solltet ihr nicht vermögen?" Und den Katholiken sei in vollster Katholizität mit auf den Weg gegeben: "Das Gedenken an 50 Jahre nach dem 2. Vatikanischen Ökumenischen Konzil (1962-1965) steht bevor, das die Fenster geöffnet, sowie der Freude und der Hoffnung auf die Einheit der Christenheit einen Schub gegeben hat. Ist das nicht Grund genug, das dann auch in das Jubiläum 2017 und in einen 3.Ökumenischen Kirchentag einzubringen?"



Nicht jeder Kirchentag kann ein Durchbruch sein, aber dieser 3.ÖKT, dieser 3.Ökumenische Kirchentag genau im Jahr 2017 könnte viel in Bewegung bringen. Und haben sich nicht alle Kirchen Europas in der Charta Oecumenica vor 10 Jahren verpflichtet "auf allen Ebenen des kirchlichen Lebens gemeinsam zu handeln" wenn nicht Glaubens- oder Zweckmäßigkeitsgründe entgegenstehen? Deshalb sollten nun alle "Menschen seines Wohlgefallens" mithelfen, dass der 3. Ökumenische Kirchentag 2017 auch Wirklichkeit wird. Auch der 33. Evangelische Kirchentag in Dresden bietet dafür viele Gelegenheiten.



Steffen Reiche und Hans-Georg Hunstig



Zu den Personen: Die Verfasser waren Mitglied im Präsidium des 2. Ökumenischen Kirchentages 2010. Steffen Reiche, Berlin ist Pfarrer der Reformierten Schlosskirchengemeinde in Köpenick und Mitglied der Präsidialversammlung des Deutschen Evangelischen Kirchentages. Hans-Georg Hunstig, Paderborn, Rechtsanwalt u. Notar, engagiert sich in seiner Heimatgemeinde St. Heinrich u. Kunigunde Schloß Neuhaus, im Diözesankomitee im Erzbistum Paderborn und im Zentralkomitee der deutschen Katholiken.