Ein Sicherheitsdienst schützt 13 Berliner Schulen

Lehrer fordern Wachschutz

Eine Schule zu bewachen ist für Christopher Kern und Önder Öztürk neu. Die Bielefelder Firma der Wachmänner kümmert sich normalerweise um Behörden, Polizeikasernen oder Fußballarenen. Seit Montag stehen die beiden nun vor der Röntgen-Schule in Berlin-Neukölln und versuchen, sich die Gesichter von mehreren Hundert Jugendlichen einzuprägen, die das Schultor passieren. Rein lassen sie nur diejenigen, die zur Schule gehören. Pöbler und Randalierer müssen draußen bleiben. Unter Politikern ist das Projekt umstritten, doch Lehrer und Schüler freuen sich über den Schutz.

 (DR)

Die beiden Uniformierten am Tor sind für die Schüler neu. "Darf ich durchgehen?", fragen manche eingeschüchtert. Andere sind neugierig: "Könnt ihr Kampfsport? Habt ihr eine Waffe?", löchert ein Knirps die Sicherheitsmänner. Die beiden Männer antworten geduldig, lächeln. "Wir wollen versuchen, Vertrauen zu den Schülern aufzubauen", sagt Kern. "Es wäre nicht gut, wenn sie Angst vor uns haben."

Vom Unterrichtsbeginn bis zum Schulschluss kontrollieren Kern und Öztürk die Eingänge der Realschule und der angrenzenden Grundschule und patrouillieren zwischendurch auf dem Gelände. Strikte Kontrollen von Schülerausweisen oder Taschen gebe es nicht, sagt Kern: "Wir wollen nicht als Hilfssheriffs wahrgenommen werden." Die Jugendlichen sollten sie als Teil der Schule akzeptieren. Deshalb würden immer die gleichen Teams an den Schulen eingesetzt.
"Wir verstehen sie als Mitarbeiter, die den Schutz nach außen garantieren oder zumindest verstärken", betont Marlis Meinicke-Dietrich, Leiterin der Röntgen-Schule im domradio-Interview.

"Wir haben die Nase voll"
Kurz vor den Sommerferien wurde auf dem Hof der Röntgen-Schule ein Lehrer zusammengeschlagen. Er hatte einen 17-jährigen schulfremden Jugendlichen vom Gelände schicken wollen und dafür mehrere Faustschläge ins Gesicht kassiert. "Das war einer der Auslöser für uns", sagt Neuköllns Schulstadtrat Wolfgang Schimmang (SPD). Rund 50 ähnliche Fälle hätten die Schulen in dem Bezirk in den vergangenen zwei Jahren gemeldet. Schließlich wurde privater Wachschutz angefordert. Den Auftrag übernahm die Bielefelder Firma Germania. Ein anderes Unternehmen war kurzfristig von den Aufgaben zurückgetreten. Nun werden neben der Röntgen-Schule zwölf weitere Schulen bewacht - ein bundesweit einmaliges Projekt.

"Wir haben die Nase voll von den alltäglichen Pöbeleien", sagt Marlis Meinicke-Dietrich. Immer wieder würden Schüler von fremden Jugendlichen auf dem Schulhof bedroht und Lehrer beleidigt. Gemeldet werde bei weitem nicht alles. "Da würden wir uns die Finger wund schreiben", sagt die Rektorin. "Der alltägliche Wahnsinn wird von den Statistiken doch gar nicht erfasst."

Auch Klaus Düsing hat die Beleidigungen und Attacken satt. Erst in der vergangenen Woche habe er sich wieder beschimpfen lassen müssen, als er einen schulfremden Jugendlichen vom Gelände verwiesen habe, erzählt der Geschichts- und Erdkundelehrer. "Ich frage mich, ob ich mich dem aussetzen muss, das ist nicht mein Job", sagt er. "Meine Aufgabe ist, mich um meine Schüler zu kümmern und nicht, ganz Neukölln zu erziehen."

Schüler zufrieden
Die Realschule hat mehr als 280 Schüler, 80 Prozent davon kommen aus Familien mit Migrationshintergrund. "Mein Vorteil ist, dass ich türkisch bin", sagt Wachmann Önder Öztürk. "Ich kann die Jugendlichen auch auf Türkisch ansprechen, ich kenne die Mentalität."

Bei den Schülern kommt der Wachschutz gut an. "Viele Leute kommen hier rein und machen Ärger", sagt der 14-jährige Shaban. Das könnte mit den Sicherheitsleuten besser werden, meint er. Doch nicht überall stößt das Projekt auf so viel Gegenliebe. Das 200 000 Euro teure Vorhaben ist zunächst bis Mitte Juli 2008 befristet.

Unter Berliner Politikern ist es umstritten. Bildungssenator Jürgen Zöllner und Innensenator Ehrhart Körting (beide SPD) lehnen es beide ab. Wachschutz sei allenfalls in Ausnahmesituationen sinnvoll und biete keine Lösung für das Gewaltproblem, argumentieren sie. Nur Prävention und Bildungsarbeit seien ein Ausweg. Lehrer Klaus Düsing sieht das anders: "Ich habe ein Recht, geschützt zu werden."


Das Wachschutz-Projekt ist zunächst bis August 2008 angesetzt. "Wir alle würden uns wünschen, dass die gesellschaftlichen Verhältnisse so etwas nicht nötig machen", sagt Marlis Meinicke-Dietrich. "Aber es ist nun mal so. Und wir verstehen Schule als Raum, in dem ungestört gelernt werden muss. Deshalb machen wir es."