Beide Führer gelten als volkstümlich. Papst Franziskus hat genauso wenig übrig für pompöse Auftritte wie der US-Präsident, Spitzname "Onkel Joe". Gemeinsam ist ihnen die Freude am direkten Gespräch mit Menschen, das Interesse an ihrem Gegenüber und das freundliche Auflegen der Hand auf die Schulter. Beide stiegen erst spät ganz nach oben auf - nachdem beiden wenig Chancen dazu attestiert worden waren.
Und sie stehen vor ähnlichen Problemen. Joe Biden (78) hat von seinem Vorgänger ein tief gespaltenes Land ererbt, dessen Bürger einander nicht über den Weg trauen. Papst Franziskus (84) hat seinerseits Mühe, die auseinanderdriftenden Teile seiner Kirche zusammenzuhalten. Eine Schnittmenge der beiden Anführer ist der Argwohn, der ihnen von der katholischen US-Bischofskonferenz entgegenschlägt.
Franziskus, Biden und die US-Bischofskonferenz
Sie wird weiterhin von Bischöfen dominiert, die Johannes Paul II. (1978-2005) und Benedikt XVI. (2005-2013) beriefen. Ihre Agenda weicht deutlich von der des Reformers im Vatikan ab. Während Franziskus den Schwerpunkt auf das Pastorale legt, geht es den US-amerikanischen Hirten vor allem um Reinheit der Lehre. Der Papst sorgt sich um das Weltklima, soziale Gerechtigkeit und Migration, während die prägenden US-Bischöfe vor allem Abtreibung und Religionsfreiheit im Fokus haben.
Was nicht heißt, dass Franziskus zu diesen Theman nicht klare Positionen bezöge. Er nannte Abtreibung zuletzt "Mord" und setzt sich für unterdrückte Christen ein. Umgekehrt wirft die Position der Bischofskonferenz Fragen auf. Eine aktuelle Untersuchung der jesuitischen Creighton University in Omaha/Nebraska kommt zu dem Befund, dass die US-Bischöfe die Umweltenzyklika "Laudato si" in ihrer Verkündigung "weitgehend ignoriert" hätten.
Klimaschutz als einendes Thema
Die Studie beruht auf der Auswertung von 12.077 Beiträgen katholischer Bischöfe in 171 von 178 Diözesen zwischen Juni 2014 und Juni 2019. Ganze 93 mal gingen 53 Hirten in ihren Schreiben auf die Bewahrung der Schöpfung ein. in der Mehrzahl der Beiträge wird die Lehrmeinung des Papstes nicht wiedergegeben - und in vielen Fällen deren Bedeutung heruntergespielt.
In Biden findet der Papst einen Verbündeten für den Klimaschutz, der wohl auch ein Thema des Treffens am Freitag sein wird. Die Bischofskonferenz dagegen behandelt den Katholiken im Weißen Haus wegen seiner liberalen Haltung zu Abtreibung und gleichgeschlechtlicher Ehe wie einen Gegner. Während der wenig fromme Vorgänger Donald Trump ungerügt gegen Einwanderer und Minderheiten agitieren durfte, setzte der Bischofskonferenz-Vorsitzende Erzbischof Jose Gomez bei Bidens Amtseinführung eine Arbeitsgruppe zum "Problem Biden" ein.
"Bruch in der Beziehung zwischen dem Vatikan und den US-Bischöfen"
Daraus wurde sogar der Versuch, den Präsidenten, seine katholische Parteikollegin Nancy Pelosi und andere Demokraten von der Kommunion auszuschließen, solange sie nicht die katholische Lehre zur Abtreibung zum Gesetz machten. Eine Position, die Franziskus gegen den Strich geht. Demonstrativ empfing der Papst auch Pelosi im Vatikan und setzt nun drei Wochen vor dem Herbsttreffen der US-Bischöfe ein weiteres Signal.
"Es gibt einen fundamentalen Bruch in der Beziehung zwischen dem Vatikan und den US-Bischöfen", beobachtet der Theologe Massimo Faggioli von der Villanova University. "Und Biden steht genau zwischen ihnen." Die Bilder des Treffens aus dem Vatikan dürften mehr als genug sagen, meint der Buchautor, der am Fallbeispiel des regelmäßigen Messgängers im Weißen Haus die strikte Haltung der konservativen Mehrheit in der Bischofskonferenz aufzeigt.
Biden über den Papst: "Ich liebe diesen Kerl"
Dass sich der Papst als Beschützer des Sakramentenzugangs für Biden, Pelosi und andere Katholiken positioniert, entgeht den Hardlinern nicht. Umso mehr könnten sie nach Ansicht von Beobachtern nun motiviert sein, ihr auf Weisung Roms entschärftes Dokument zur Eucharistie beim Herbsttreffen in Baltimore durch Änderungsanträge wieder zuzuspitzen.
Ein Schlag gegen Biden könnte auch als Angriff auf den Papst interpretiert werden. Zumal sich der US-Präsident in einem Interview 2016 als großer Anhänger von Franziskus zu erkennen gab: "Ich liebe diesen Kerl."
Biden und Franziskus treffen sich zum dritten Mal
Der Theologe Gerald Fogarty von der University of Virginia sagte der "Washington Post", er erwarte, dass die Reaktionen auf das Treffen im Vatikan die Spannungen sichtbar machen werden.
"Nie zuvor war die katholische Kirche in diesem Land so gespalten wie im Moment." Das liegt aber gewiss nicht an den beiden Männern, die sich am Freitag zum dritten Mal begegnen.