"Das Thema wird mich, glaube ich, in meiner gesamten Zeit als Bischof beschäftigen", sagte Peter Kohlgraf am Montagabend in einem Interview des Fernsehsender Sat1. "Noch immer geschehen Missbrauchstaten. Und wir haben noch immer mit Menschen zu tun, die betroffen sind."
Wichtiger Schritt: Standards für alle Bistümer
Es gehe nicht in erster Linie um die Reputation der Kirche, sondern vor allem darum, den einzelnen Betroffenen gerecht zu werden, betonte Kohlgraf. Das sei eine große Herausforderung. Zugleich warb der Bischof um Verständnis. Natürlich laufe nicht alles perfekt. "Es gibt keine vergleichbare Großinstitution, an der wir uns orientieren könnten." Man versuche aber, "einen guten Weg gemeinsam mit Betroffenen, einer externen Aufarbeitungskommission, Staatsanwaltschaften und staatlichen Stellen zu gehen". Als wichtigen Schritt bezeichnete der Mainzer Bischof die Tatsache, dass inzwischen die gleichen Standards für alle Bistümer gelten.
Unterdessen habe sich das Klima in der Gesellschaft nach Ansicht des Bischofs geändert. Bei vielen Menschen lägen die Nerven blank. "Ich merke, dass der Ton schärfer wird", fügte er unter anderem mit Blick auf die zurückliegenden Monate der Corona-Pandemie hinzu. Es gebe auch innerhalb der Kirchen "Blasen einer bestimmten Wirklichkeitswahrnehmung".
Persönliche Begegnungen fehlen
Auf die Frage, für was er 2022 bete, antwortete der Bischof, er bete für ein besseres Miteinander: "Für mich selbst bete ich, die Nerven zu behalten." Zugleich verteidigte Kohlgraf den Kurs der Kirche in der Corona-Krise. Sie sei durchaus an der Seite der Menschen geblieben, aber vieles davon produziere keine großen Schlagzeilen. Doch die Seelsorge in Krankenhäusern, das soziale Engagement etwa in Kitas und Schulen sei auch während der Pandemie weitergelaufen. "Das ist Kirche, da sind Menschen sehr präsent - und zwar Haupt- und Ehrenamtliche."
Gleichwohl fehlten auch ihm als Bischof die persönlichen Begegnungen, räumte Kohlgraf ein. Vor dem Hintergrund der Pandemie bezeichnete er die Ausübung seines Amtes als "schwierig".