Ausblick auf das Achtelfinale der Fußball-EM mit Italien

"Eindeutig überrascht"

An diesem Samstag starten die Achtelfinalspiele der Fußball-Europameisterschaft. Die italienische Nationalmannschaft hat im bisherigen Turnierverlauf überzeugen können. Wie geht es nun weiter? Eine Einschätzung.

Italienische Spieler - bei der EM ist bisher das Team der Star / © Alberto Lingria/POOL Reuters (dpa)
Italienische Spieler - bei der EM ist bisher das Team der Star / © Alberto Lingria/POOL Reuters ( dpa )

DOMRADIO.DE: Sie sind wahrscheinlich bisher sehr zufrieden mit der Leistung der Squadra-Azzurra – wie man die italienische Fußball-Nationalmannschaft auch nennt – bei dieser Fußball-Europameisterschaft, oder?

Silvio Vallecoccia (Programmreferent des Maxhauses, des katholischen Stadthauses in Düsseldorf und italienischer Fußballexperte): Auf jeden Fall. So einen Start hätte ich nicht erwartet. Das hat mich eindeutig überrascht. Es ist klar: Die Zahlen und die Leistungen und alle Statistiken haben eigentlich dafür gesprochen, aber wenn es richtig zur Sache geht, ist das immer ein anderes Thema. Wenn der Anpfiff kommt, wenn man das Spiel startet, dann ist das eine völlig andere Welt. Aber diesen Start und diese großen Erfolge der italienischen Mannschaft hätte ich nicht erwartet.

DOMRADIO.DE: Sie haben die Statistik angesprochen. Da kann einem als Gegner ja schon Angst und Bange werden. Seit 30 Spielen ungeschlagen und seit 11 Spielen ohne Gegentor ...

Vallecoccia: Das ist der Wahnsinn. Das spricht wirklich für die Leistung dieser Mannschaft, die tatsächlich eine Gemeinschaft geworden ist. Wenn man sieht, bis jetzt haben insgesamt bei der EM 25 unterschiedliche Spieler an den Spielen teilgenommen.

Da ist klar, dass der Trainer als Ziel hat, als eine Gemeinschaft unterwegs zu sein. Wir zusammen – nur zusammen als Team – können wir das schaffen: Das ist wirklich die Botschaft. Also wir haben keine großen Spieler wie in der Vergangenheit wie etwa Del Piero, Pirlo oder Totti oder andere. Es sind alles mutige Mitarbeiter, die aber ihre Leistung bringen und mit voller Überzeugung und auch in Harmonie in einem guten Spielsystem spielen.

DOMRADIO.DE: Das heißt, es ist eigentlich eine Floskel, aber es stimmt im Moment, was die italienische Nationalmannschaft angeht: Das Team ist der Star?

Vallecoccia: Ja, das stimmt vollkommen. Und ich glaube, es ist tatsächlich das, was dieser Trainer Mancini geschafft hat. Übrigens war der auch Spieler meiner Herzensmannschaft von Italien – Lazio Rom, wo unter anderem auch Klose gespielt hat. Und ich glaube, Mancini hat wirklich diese Kreativität verkörpert und eigentlich die Köpfe freimachen können. Also die Spieler sind frei, sie bewegen sich in einem bekannten System. Aber man merkt, dass sie auch kreativ sein können und impulsiv und innovativ. Das merkt man bei den Spielen. Es ist alles offen, aber sie halten alle zusammen. Auch diese null kassierten Tore sprechen sehr für die Mannschaft.

DOMRADIO.DE: Gibt es denn überhaupt Schwächen?

Vallecoccia: Ich glaube, die erste Schwäche ist die Statistik. Das heißt, irgendwann muss man verlieren. Und wir hoffen, dass das bei dieser EM jetzt nicht mehr passiert, weil verlieren bedeutet: nach Hause fahren. Ich glaube, da gucken alle und erwarten: Ja, okay. Wann werden die mal einen falschen Schritt machen? Ich hoffe sehr, dass dieser falsche Schritt gemacht wird – aber nur in einer Halbzeit.

DOMRADIO.DE: Nach dem Finale?

Vallecoccia: Genau – oder vielleicht für eine Halbzeit, aber danach mit einer supertollen Leistung in der zweiten Halbzeit, sodass das irgendwie nachgeholt werden kann. Die zweite Schwäche ist, wenn sie jetzt die Demut verlieren. Wenn Sie meinen: Wir sind die Stärksten, wir sind die Besten, das schaffen wir – wie sagt man auf Deutsch – mit den linken Fuß. Diese Demut muss man immer beibehalten und immer daran glauben: Als Team, nur wir gemeinsam, wenn wir in die gleiche Richtung gehen, können wir das schaffen. Und allen Gegnern muss immer mit großem Respekt begegnet werden – angefangen bei Österreich.

DOMRADIO.DE: Wie ist Ihr Tipp für das anstehende Achtelfinalspiel? Wie wird es ausgehen?

Vallecoccia: Das ist schwer. Ich habe irgendwie das Gefühl, dass wir doch Samstag ein Tor kassieren werden, aber dass mein Lieblingsspieler Immobile zwei Tore machen wird. Das heißt, ich tippe 2:1 bzw. 3:1 für Italien.

Das Interview führte Martin Mölder.


Quelle:
DR