Brauchtumsexperte über die Geschichte des Fastens

"Eine Fasten-Polizei gab es nicht"

Heutzutage verzichtet man in der Fastenzeit auf das Handy, Alkohol oder Schokolade. Früher war das anders. Brauchtumsexperte Manfred Becker-Huberti schaut in die Vergangenheit und erklärt, wie man früher gefastet hat.

Symbolbild: Fastenzeit  / © Marie Accomiato (KNA)
Symbolbild: Fastenzeit / © Marie Accomiato ( KNA )

DOMRADIO.DE: Gab es die Tradition des Fastens schon vor Jesus?

Professor Dr. Manfred Becker-Huberti (Theologe und Brauchtumsexperte): Ja, man kann es bei Jesus selbst feststellen. Er zitiert an irgendeiner Stelle, dass man nicht so trübsinnig aussehen soll, wie die Pharisäer, die fasten und das so herausstellen, indem sie besonders niedergedrückt wirken.

Fasten soll man also mit Freude und im Stillen.

DOMRADIO.DE: Abzüglich des Sonntags sind es 40 Tage, die wir fasten, so wie auch Jesus nach seiner Taufe in der Wüste gefastet haben soll. Warum die Zahl 40?

Becker-Huberti: Die Zahl 40 ist eine Symbolzahl, die die Weite und die Größe anzeigt. Ich erinnere daran, dass die Juden 40 Jahre durch die Wüste gezogen sind. Die Zahl 40 begegnet uns ununterbrochen im Alten und Neuen Testament. Zum Beispiel regnete es 40 Tage, als die Arche gebaut wurde. Es sind 40 Kapitel im zweiten Buch Mose. Nach Levitikus gilt eine Frau bei Geburt eines Knaben 40 Tage als unrein, und so weiter.

Die Zahl 40 in unserem Zusammenhang kommt mit dem Fasten Jesu vor seiner öffentlichen Wirksamkeit auf. 40 Tage fastet er. Diese 40 ist Symbolik für diese Fastenzeit. Und zwar nicht nur für die österliche, sondern ursprünglich auch für die weihnachtliche Fastenzeit. Denn der Advent war ursprünglich auch einmal eine 40-tägige Fastenzeit.

DOMRADIO.DE: Heute gibt es Auto-Fasten, Handy-Fasten und Internet-Fasten. Was hat man denn in früheren Zeiten gefastet?

Becker-Huberti: Das Wichtigste beim Fasten war die Enthaltsamkeit beim Essen und beim Trinken. Dann natürlich öffentliche Lustbarkeiten wie Tanzen oder Konzerte, die fielen weg. Es gab auch Zeiten, wo die Enthaltsamkeit beim Geschlechtsverkehr eine wesentliche Rolle spielte, natürlich auch für Eheleute, die dann sich zurückhielten - zumindest aber in der Karwoche.

DOMRADIO.DE: Was war mit Alkohol und Schokolade? Auch eine Fasten-Idee der Neuzeit?

Becker-Huberti: Das ist eine Idee der Neuzeit. Sie müssen sich vorstellen, dass es im Altertum - auch noch im Mittelalter und zum Teil bis ins18. Jahrhundert - nichts anderes gab, als Dünnbier, das man trinken konnte. Normales Wasser ging nicht, weil man nicht wusste, dass man das abkochen musste. Es war gesundheitsgefährdend.

Säfte gingen nicht, weil man nicht genügend Säfte hatte, beziehungsweise sie nicht haltbar machen konnte. Also konnte man nur Dünnbier trinken oder Wein verdünnen. Völlige Enthaltsamkeit von Alkohol ging nicht.

Es gab eher das Gegenteil davon: Man stellte Starkbier her, in Klöstern zum Beispiel. Wenn man weniger aß, musste man sich durch das stärker eingebraute Bier die Kalorien holen, die man brauchte, um seine Arbeit beibehalten zu können.

DOMRADIO.DE: Ob jetzt heute jemand in der Fastenzeit Genussmittel zu sich nimmt oder nicht, ist jedem selber überlassen. Da achtet von außen keiner drauf. Wie war das früher? Eine Fasten-Polizei wird es ja nicht gegeben haben, oder?

Becker-Huberti: Eine Fasten-Polizei sicherlich nicht. Aber es gab eine Art von sozialer Kontrolle. In einem Dorf wusste natürlich jeder vom Nachbarn, wie er es mit diesen Dingen hält - zumal man auch miteinander umging, arbeitete oder sich in die Küche hineinschaute.

Dementsprechend war das ziemlich reglementiert. Im Übrigen sorgte der Beichtvater dafür. Der fragte nämlich auch, ob jemand sich an die Fastenregeln hielt oder nicht und mahnte entsprechend ab.

Das Interview führte Tobias Fricke.

 

Prof. Dr. Manfred Becker-Huberti / © privat (DR)
Prof. Dr. Manfred Becker-Huberti / © privat ( DR )
Quelle:
DR
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