Für beide Seiten ist es eine spannende Kooperation – und nicht ganz ohne Unbekannte. Der Mädchenchor am Kölner Dom hat erstmals nach 1997 wieder eine Messe für die sonntägliche Liturgie in Auftrag gegeben, Und Christoph Ritter, auf den die Wahl fiel und der als Seelsorgebereichsmusiker in Düsseldorf Eller-Lierenfeld bereits für eine ganze Reihe mehrstimmiger Motetten bekannt ist, machte aus dieser Anfrage seine erste Messkomposition. Am kommenden 5. Fastensonntag nun soll die "Missa Adventus et Quadragesimae" – aufgrund ihrer überschaubaren Aufführungszeit für den Advent und die Fastenzeit bestimmt – als eine sogenannte "Missa brevis" mit Kyrie, Sanctus und Agnus Dei für vier Frauenstimmen im Kölner Dom uraufgeführt werden. Chorleiter Oliver Sperling freut sich: "Dieses Werk zeichnet sich durch eine klare Struktur der einzelnen Ordinariumsteile und einen grundsätzlich meditativen Klanggestus aus. Die Schlusswendungen sind dabei jeweils kleine harmonische Überraschungen."
Ein hohes Maß an Konzentration mussten die Sängerinnen für die Einstudierung dieser für ihre Stimmlagen maßgeschneiderten Musik in den letzten Wochen aufbringen. Immerhin singt neben den "Großen" des Kammerchores auch schon der noch recht junge Nachwuchs ab der vierten Klasse bei diesem besonderen Ereignis mit. Und eine Herausforderung ist ein solches Werk für die Zehnjährigen allemal. "Die haben sie aber in den Proben wunderbar gemeistert, wenn man jetzt das Ergebnis hört", lobt Sperling sein Ensemble. "Alle haben über diese Musik viel gelernt – vor allem auch das genaue Hinhören auf die anderen Stimmen. Dazu animiert gerade diese Komposition aber auch ganz automatisch." Die unterschiedlichen Dissonanzspannungen im Zusammenspiel mit den dynamischen Entwicklungen stellten eine ganz eigene Schwierigkeit dar. "Diese Dissonanzen hörbar zu machen und ihnen nachzuspüren ist dabei die eigentliche Aufgabe, der sich jede einzelne Sängerin und jede Stimmgruppe bis hin zum durchgehend vierstimmigen Gesamtklang stellen muss."
Große Bandbreite an Melodieführungen
"Ich denke immer in Klangflächen, die ich miteinander kombiniere. Und ich denke aus dem Moment heraus, weniger in Konstrukten, wie etwa einer 12-Ton-Reihe", sagt Ritter dazu, der schon während seines Kirchenmusikstudiums aus Freude am Improvisieren mit dem Komponieren begonnen hat. Das Spiel mit den auf diese Weise entstehenden "Missklängen" oder bewusst gesetzten Cluster empfindet der 31-Jährige als reizvoll. Denn automatisch ergebe sich damit eine große Bandbreite an Melodieführungen, die sich nicht immer an Dur- und Molltonarten oder herkömmliche Kadenzen anlehne. Der Frauenchor "inCantare" in seiner Pfarreiengemeinschaft hat ihn im Verlauf der letzten Jahre zudem darin bestärkt, immer mal wieder gezielt für Frauenstimmen zu komponieren, da hier die Literaturlage ohnehin immer etwas spärlicher als für gemischte Chöre ist. Und so hat sich der Kirchenmusiker sogar ein bisschen darauf spezialisiert, Motetten für Frauenchöre zu schreiben, die auch bereits im Berliner Sonat-Verlag publiziert wurden.
Ganz besonders freut sich der Düsseldorfer Kantor darauf, dass ausgerechnet der Mädchenchor am Kölner Dom die erste Messe aus seiner Feder singt. "Das macht mich geradezu stolz. Immerhin gilt dieses besondere Ensemble deutschlandweit als eines der besten." Bislang hat Ritter die "Missa Adventus et Quadragesimae" nur mit MIDI-Klängen am Computer erarbeitet und einen synthetischen Sound herstellen können. "Wie sich dann alles live und mit echten Sängerinnen anhört, bleibt bis zum Schluss richtig spannend", sagt er. "Man kann sich noch soviel ausdenken, aber ob das am Ende auch gelingt, weiß man erst, wenn die Mädchen im Dom den ersten Ton des Kyrie anstimmen."