DOMRADIO.DE: Warum ist das aus Ihrer Sicht ein falsches Signal?
Marie-Theres Kastner (Bundesvorsitzende der Katholischen Elternschaft Deutschlands / KED): Wir haben in den Pandemie-Zeiten Eltern und Kinder immer wieder aufgefordert, durchzuhalten und sie haben eine große Last getragen. Das kommt jetzt immer mehr in allen Studien raus. Das sagen uns die Kinderärzte, das sagen uns die Kinderpsychologen und die Kinderpsychiater. Es gibt lange Schlangen zur Behandlung von seelischen Schäden bei Kindern.
Familien werden in Sonntagsreden immer als die Grundlage unserer Gesellschaft bezeichnet. Und wenn dann plötzlich das Ministerium frei wird, dann wird es nicht besetzt und mal eben zum Justizministerium geschlagen. Eigentlich eine völlig unübliche Geschichte. Im Prinzip müsste es die Bildungsministerin übernehmen, aber die hat wahrscheinlich für die SPD, die ja das Besetzungsrecht hat, das verkehrte Parteibuch.
DOMRADIO.DE: Es wäre also eine bessere Alternative gewesen, wenn Bildungsministerin Anja Karliczek übernommen hätte?
Kastner: Das wäre auf jeden Fall eine bessere Alternative gewesen. Es ist noch keine vierzehn Tage her, dass sowohl Frau Karliczek als auch Frau Giffey eine große Pressekonferenz für den Notfall-Fonds nach der Corona-Pandemie gehalten haben, um die Kinder, die hinten an geblieben sind, zu stärken.
Die Mittel, die Frau Karliczek und die Frau Giffey zur Verfügung haben, kann man sehr wohl zum Nutzen der Kinder in einen Topf tun. Denn Kinder leben nicht nur von Schule, sie leben auch von Jugendarbeit und Jugendorganisationen. Das eine liegt bei Frau Karliczek, die praktisch für die Computer und für die inhaltlichen Dinge in der Schule zuständig ist, und das andere liegt bei Frau Giffey, die für das zuständig ist, was ein gutes Kinder- und Jugendleben ausmacht.
DOMRADIO.DE: Ein Ministerium besteht natürlich nicht nur aus der Ministerin. Haben Sie Angst, dass es jetzt inhaltlich an die Substanz geht und da Versäumnisse auftreten können?
Kastner: Es geht nicht um die Angst, dass da irgendetwas nicht passiert, sondern es geht darum, dass das ein Zeichen ist. Ich finde, das ist eine Ohrfeige ins Gesicht der Familien. Wir sind nicht wichtig. Also die kann man mal eben mitnehmen in einem anderen Ministerium. Und tags vorher sagt man dann, wie wichtig Familien sind und dass sie das ganze System aufrecht erhalten haben.
Was haben Familien in dieser Coronazeit alles geleistet? Homeschooling, das Betreuen von Kindern in engen Wohnungen, beim ersten Lockdown sogar ohne Spielplatz. Also Eltern haben so viel aufgefangen in der Pandemie. Und jetzt heißt es also Frau Giffey geht, weil sie bei der Doktorarbeit gemogelt hat und jetzt gibt es keine neue Familienministerin.
DOMRADIO.DE: Würden Sie denn sagen, dass Sie von der Regierung auch unterstützt wurden?
Kastner: Wir haben als KED eine große Umfrage deutschlandweit gemacht und Familien, Eltern, Kinder und Lehrer gefragt, wie sie sich seelisch fühlen. Man hat ganz deutlich gemerkt, sie haben sich eigentlich ein Stück vernachlässigt gefühlt. Heute morgen habe ich noch eine junge Mutter getroffen, die hat gesagt: "Da sitzen die Damen, die geimpft sind, beim Kaffee draußen in der Außengastronomie und meine Kinder müssen weiter aus der Schule zu Hause bleiben."
DOMRADIO.DE: In gut vier Monaten ist Bundestagswahl. Was wünschen Sie sich denn von dem zukünftigen Familienminister oder der Ministerin?
Kastner: Ich wünsche mir vor allem, dass Familienpolitik nicht als das von Schröder damals so genannte "Gedöns" behandelt wird, sondern, dass das Familienministerium wirklich gleichrangig ist. Wir haben immer so eine Abstufung und da würde ich mir wirklich wünschen, dass es eine andere Priorisierung gibt.
Wir haben in der Pandemie deutlich gemerkt, wie wichtig die Familien sind, wie wichtig es ist, dass es den Familien und den Kindern gut geht. Denn das ist unsere Zukunft und die kann man nicht in die letzte Abstellkammer schieben.
Das Interview führte Verena Tröster.