Eine theologische Betrachtung zum Osterfest

Von der verwandelnden Kraft des Wartens

Wartezeiten sind wenig geliebt, am liebsten möchte man alles sofort haben. Dabei sind gerade solche Zeiten nötig, damit sich Dinge zum Guten wandeln können.

Autor/in:
Fabian Brand
Warten auf Ostern / © Jaromir Chalabala (shutterstock)

"Alles nimmt ein gutes Ende für den, der warten kann", so soll der russische Schriftsteller Leo Tolstoi einmal gesagt haben. Warten können, das ist für viele Menschen eine sehr hohe Kunst, die man gerne beherrschen würde und an der man doch scheitert. Denn am liebsten haben wir alles jetzt und gleich, heute und sofort. Wenn einem etwas in den Kopf schießt, dann müsste man es am besten schon haben, und die Lieferzeit von zwei Tagen wird zur Qual. So ungeduldig sind wir manchmal.

Auch der zwischenmenschliche Bereich ist da nicht ausgenommen: Liebe müsste sich automatisch einstellen, Streit auf der Stelle lösen, Freundschaft sofort da sein. Doch für all das braucht es Zeit und Geduld. Es geht nicht alles so schnell, wie man es sich wünscht. "Gut Ding will Weile haben", heißt es bekanntermaßen im Volksmund. Und das gilt für viele Dinge im Leben.

Auch Jesus musste warten

"Alles nimmt ein gutes Ende für den, der warten kann": Auch die Frauen, die Jesus begleitet haben und bei seinem Sterben anwesend waren, müssen das Warten lernen. Am Karfreitag betten sie den Verstorbenen in Eile in das Grab, doch die Versorgung des Toten kann noch nicht erfolgen. Denn der Sabbat steht vor der Tür, und an ihm ist die Totensorge verboten. Also müssen sie warten, die Trauer, den Schmerz aushalten, ohne etwas tun zu können. Erst als der Sabbat vorüber ist - am Sonntag in aller Herrgottsfrühe - brechen sie zum Grab auf.

Es ist der berühmte "dritte Tag", an dem Jesus von den Toten auferstanden ist. So hat es schon der Apostel Paulus im ältesten Osterzeugnis unseres Neuen Testaments festgehalten: "Er ist am dritten Tag auferweckt worden, gemäß der Schrift" (1 Kor 15,4). Die Auferstehung Jesu ereignet sich nicht von jetzt auf gleich, sie braucht Zeit. Wohl nach unserer heutigen Zeitrechnung nicht ganze drei Tage, aber doch die Zeitspanne von Freitag bis Sonntag.

Drei Tage warten

Um Gottes Wirken in dieser Welt zu erkennen, braucht es Zeit: Drei Tage und drei Nächte muss Jona im Bauch des Fisches verbringen, bevor er gerettet wird. Und schon beim Propheten Hosea heißt es: "Nach zwei Tagen gibt er uns das Leben zurück, am dritten Tag richtet er uns wieder auf und wir leben vor seinem Angesicht." (6,2)

Gott greift ein, er schenkt Menschen das Leben, er richtet sie in ihrer Trauer wieder auf. Aber es dauert. Drei Tage des Wartens sind angesagt - aber am Ende, da wird es gut. Das haben die Frauen erfahren, als sie am Grab geweint haben und am Ostermorgen dem Auferstandenen begegnen durften. Sie haben gewartet, und es ist gut geworden: Der Gekreuzigte ist von den Toten auferstanden.

Warten hat einen Sinn

Diese Zeiten des Wartens können zur Qual werden. Auch, weil sie uns Menschen mit dem eigenen Scheitern und mit Ängsten konfrontieren. Die zerbrochene Beziehung, die Sehnsucht nach Liebe, die Trauer um einen lieben Menschen gilt es in dieser Zeit auszuhalten. Gerne würde man vor all dem davonlaufen und kann es doch nicht.

Dabei steckt in diesen symbolischen "drei Tagen" die Kraft, die wirkliche Veränderung bewirken kann. So wenig, wie die Auferstehung sofort am Karfreitag erfolgt, so wenig können wir alles im Leben sofort erreichen. Wir müssen warten. Aber dieses Warten kann uns helfen, einen neuen Blick zu gewinnen. Es lässt uns Abstand nehmen, aus dem sich neue Perspektiven eröffnen. Es wird möglich, Dinge anders wahrzunehmen, die Welt und die Mitmenschen mit anderen Augen zu sehen. In den drei Tagen Wartezeit steckt die verwandelnde Kraft, die es ermöglicht, dass sich vieles zum Guten wenden kann.

Die Osterkerze im Blick

"Alles nimmt ein gutes Ende für den, der warten kann": Ostern zeigt uns Jahr für Jahr aufs Neue, wie gut es sein kann, Dinge nicht zu überstürzen. Warten kann quälend und bedrängend sein. Für die Jerusalemer Frauen ist es die Zeit der Trauer um den geliebten Freund.

Aber die Ostergeschichte zeigt: Es nimmt ein gutes Ende, denn die Frauen dürfen dem auferstandenen Herrn begegnen. Trauer wandelt sich in Freude, Tod in Leben, Perspektivlosigkeit in neue Hoffnung. Wer das strahlende Licht der Osterkerze im Blick behält, für den wird das Warten leichter. Denn er weiß, dass in den drei Tagen unglaubliche Dinge geschehen können, mit denen niemand je zuvor gerechnet hätte.


Quelle:
KNA