DOMRADIO.DE: Wir alle erleben eine Ausnahmesituation, die es so noch nicht gegeben hat. Wie gehen denn die österreichischen Kirchen damit um?
Klaus Prömpers (Journalist): Die orthodoxen, katholischen und evangelischen Kirchen in Österreich hatten gemeinsam dazu aufgerufen, beginnend mit dem gestrigen Abend jeweils um 20 Uhr abends eine Kerze ins Fenster zu stellen und gemeinsam ein Vaterunser zu beten. Wieweit dem gefolgt worden ist, kann ich ehrlich gesagt nicht beurteilen. Aber ich nehme schon an, dass das eine oder andere Fenster mit einer Kerze erleuchtet war.
DOMRADIO.DE: Auch in Österreich sind bis auf weiteres alle öffentlichen Gottesdienste und religiöse Versammlungen untersagt und abgesagt worden: Erstkommunion, Firmung, Taufe, Hochzeit und so weiter. Beerdigungen finden mit möglichst wenig Personen statt. Die katholische Kirche in Österreich unterstützt die staatlichen Maßnahmen. Was würden Sie sagen, wie kann der Glaube dabei helfen? Was haben die Bischöfe dazu gesagt?
Prömpers: Die katholischen Bischöfe haben dazu eine Erklärung abgegeben, ähnlich wie auch der evangelische Superintendent und der evangelische Bischof Augsburger Bekenntnisses. Die Erklärung trägt den Titel: "Ein Wort der Zuversicht und der Hoffnung in der Coronakrise". Darin danken sie erstens allen, die in Kranken- und Altenpflege, sowie im Gesundheitsdienst insgesamt tätig sind. Zudem danken sie auch der Polizei, der Feuerwehr und den Supermarktbeschäftigten, die den Notbetrieb im Lande aufrechterhalten.
Die Bischöfe unterstützten die Maßnahmen der Regierung, was Ausgangssperren angeht. Das führt auch dazu, dass es seit diesem Sonntag erstmals keinerlei Gottesdienste irgendwo gab, außer im Internet oder im öffentlich-rechtlichen Fernsehen – oder im Äquivalent, wenn man so will, zum DOMRADIO, im Klassikradio Stephansdom. Es gab keine Messen mit Beteiligung von Gläubigen. Das ist eine komische Situation, aber eine Situation, die auch andere Bischöfe in anderen Staaten der Region Südosteuropas so unterstützt haben.
DOMRADIO.DE: "Gott richte uns wieder auf." Dieser Psalm trägt Zuversicht und Hoffnung in sich, sagen die Bischöfe in Österreich. Haben sie auch gesagt, wie es den Menschen in der aktuellen Krisensituation konkret gelingen kann, Zuversicht und Hoffnung zu schöpfen?
Prömpers: Kardinal Schönborn, der ja immer noch Vorsitzender der Österreichischen Bischofskonferenz ist, hat beispielsweise heute in einem längeren Interview im öffentlich-rechtlichen Fernsehen ORF gesagt, wir werden die Globalisierung korrigieren müssen, wir werden durch dieses schwierige Tal hindurch gehen können, aber wir müssen umdenken in der Gesellschaft. Wörtlich zitiert sagte er: "Wir werden die Globalisierung korrigieren müssen." Und er fügte hinzu, es stelle sich für ihn beispielsweise die Frage, ob Konzerne, die weltweit "Gewinne abgrasen", das weiterhin tun können, ohne dann beispielsweise in den Staaten Europas viel Steuern zu bezahlen, adäquat zu dem, was sie an Gewinnen einstreichen.
Das alles werde nach der Krise hoffentlich neu bedacht, durchdacht und dann zu neuen Aktivitäten führen, sowohl der staatlichen Stellen, aber auch zu einer Reflexion innerhalb der Kirche.
DOMRADIO.DE: Wie sieht christliche Nächstenliebe in der aktuellen Situation aus?
Prömpers: Die äußert sich in sehr vielfältigen Formen: Die Pfadfinder, wie auch andere Jugendorganisationen von politischen Parteien, bieten an, im Internet, aber auch in Anschlägen an Haustüren innerhalb der Häuser, alten Menschen zu helfen. Es gibt eine breite Welle der Hilfsbereitschaft, jenen Menschen zu helfen, die zur Hochrisikogruppe gehören. Diese Gruppe sind die über 65-Jährigen und jene, die Vorerkrankungen haben. Es wird angeboten, diesen Menschen nun beispielsweise Lebensmittel und andere Bedürfnisse des täglichen Alltags nach Hause zu bringen.
Es gibt Angebote, mit dem Hund Gassi zu gehen, wenn das für einen älteren Menschen derzeit nicht mehr selber möglich ist. Zudem gibt es vielfältige ähnliche Dinge, sodass man den Eindruck haben kann, es gibt bisher eine Welle des Miteinanders, die neu entsteht und die vielleicht auch zu einer veränderten Situation am Ende dieser Krise führen kann.
Allerdings das Ende, so machen die Bischöfe auch klar, wird nicht so bald erwartet. Denn die katholischen Bischöfe haben beispielsweise einen Pfarrgemeinderäte-Kongress für Ende Mai abgesagt. Und auch die in Österreich sehr beliebte "Lange Nacht der Kirchen" am 5. Juni dieses Jahres wurde abgesagt. Das heißt, realistisch betrachtet gehen die Bischöfe wohl davon aus, dass uns diese fast Ausgangssperren, die wir jetzt haben, längere Zeit bleiben werden – nicht nur bis Ostermontag, wie es die Regierung bisher in Österreich angekündigt hat.
DOMRADIO.DE: In der Zeit ohne Gottesdienste: In welcher Weise sollen Christen ihren Glauben leben?
Prömpers: Sie können das zum einen durch die bereits erwähnte Geschichte mit der Kerze im Fenster und dem gemeinsamen Vaterunser der orthodoxen, evangelischen und katholischen Christen. Darüber hinaus schlagen die Bischöfe Hausgottesdienste vor. Die Gläubigen können ihren Glauben in gemeinschaftlichen häuslichen Reflexionen über den Glauben leben und im persönlichen Gebet. Und dann gibt es auch die Möglichkeit, den Gottesdienst zu hören und zu sehen, wenn es möglich ist. Wiens Kardinal Schönborn bietet beispielsweise jetzt jeden Morgen um acht Uhr live gestreamt einen Gottesdienst aus seinem Hause an, den jeder verfolgen kann, der will.
Ich weiß jetzt nur die Zahl von denjenigen, die dem Gottesdienst im ORF Sonntags morgens folgen: das sind 700.000 in Österreich. Eine stolze Zahl, und die könnte durchaus noch wachsen, wenn es weiterhin so läuft, denn Ostern steht vor der Tür. Der Kardinal sagte, Ostern wird natürlich kommen und wird diesmal anders aussehen. Aber die Auferstehung kommt dennoch, und wir können sie auch alle individuell reflektieren und feiern.
Das Interview führte Dagmar Peters.